Älter als die Intelligenz …

By cjg on 31. Januar 2016 — 2 mins read

Ins Offene gewendet sollte eine relational-dialogischen Architektur sein und einer Perspektive verpflichtet, die sich speist aus ihrem Bezug zum jeweils anderen; die sich speist aus dem Bewusstsein, das jeweils andere durch das eigene Maß zu erkennen; die sich nicht in der Hermetik der eigenen Konstruktion gefangen hält, sondern bestenfalls die Konstruktionselemente als Ermöglichung dessen sieht, was das Umgebende werden könnte. Eine hochbewegliche Baukunst also, die mehr brückt und verbindet, als zentriert und gefriert.

Eine relational-dialogische Architektur müsste, wie die Wahrnehmung selbst: „…den Umgang mit der Welt und eine Gegenwärtigkeit zur Welt wiederfinden, die älter ist als die Intelligenz…“ (Das Kino und die Psychologie; In: Merleau Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, Hamburg 2003, S. 35). Sie müsste es, weil die Intelligenz in die Falle getappt ist, die Welt erklären zu wollen, anstatt die Ermöglichung von Subjekt und Welt als Conditio humana zuzulassen.

Merleau Ponty entfaltet am Beispiel eines Würfels diese Gegenwärtigkeit zur Welt: „…Wenn ich wahrnehme, denke ich nicht die Welt, sie organisiert sich vor mir. Wenn ich einen Würfel wahrnehme heißt das nicht, dass meine Vernunft die perspektivischen Erscheinungen ausrichtet (…) quer zu dem, was ich sehe, verhalte ich mich zu dem Würfel selbst in seiner Evidenz und ebenso werden mir die Dinge hinter meinem Rücken nicht durch irgendeine Operation meines Gedächtnisses oder des Urteilsvermögens hergestellt, sie sind mir gegenwärtig, sie zählen für mich…“ (Ebd., S. 34).

Bleiben wir bei diesem Beispiel und lassen einen Architekten einen Würfel zeichnen und sich dabei an die Regeln der darstellenden Geometrie halten. Der Versuch, eine einzige Möglichkeit, eine einzige Lösung, eine einzige Darstellungsweise für einen Körper anwenden zu wollen, wird weder dem Körper gerecht, noch dem Betrachter dieser Zeichnung. Sie wird dem nicht gerecht, weil sie den Anspruch auf Universalität erhebt, weil sie suggerieren will, durch das Mittel der (zeichnenden) Mathematik ein Ding wahrheitsgemäß und messbar erfassen zu können. Genau besehen offenbart dieser Versuch auch das ganze Dilemma unserer Zunft. Angewiesen auf Linien, Stand- und Fluchtpunkt, Axiome und Gesetze entsteht eine (kümmerliche) Reduktion dessen, was einen Körper für einen Menschen ausmacht, was er ihm bedeutet.

Eine relational-dialogische Baukunst dürfte also nicht in die Mathematisierungs-Falle gehen und einer vermeintlichen Wahrheit folgen, dürfte keine konstruktivistische Einbahnstraße sein; müsste auch das verkörpern, was sie (noch) nicht ist, jedoch sein kann. Eine solche Architektur müsste Gegenwärtigkeit im Sinne einer ursprünglichen Subjektivität erzeugen, müsste dem Menschen ein Ins-Verhältnis-setzen ermöglichen; müsste eine Baukunst sein, deren Erzeugnis bedeutendes und bedeutetes in einem wird und fortan bleibt.

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt