Aus-Wege …

By cjg on 6. Januar 2016 — 2 mins read

Die Linien dämmern immer deutlicher auf. Bei den alten Griechen begann das Subjekt sich zu formen – und das Objekt. Nehmen wir mal an, dass im Menschen die Wirklichkeit „passiert“. Wie tut sie das oder präziser, wie tut sie das im abendländisch geprägten Menschen?

Noch einmal Nietzsche: „…Die Gewohnheiten unserer Sinne haben uns in Lug und Trug der Empfindung eingesponnen: diese wieder sind die Grundlagen aller unserer Urtheile und „Erkenntnisse“, — es giebt durchaus kein Entrinnen, keine Schlupf- und Schleichwege in die wirkliche Welt! Wir sind in unserem Netze, wir Spinnen, und was wir auch darin fangen, wir können gar Nichts fangen, als was sich eben in unserem Netze fangen lässt. (KSA 3; S. 110)

Nur etwas, „…als was sich eben in unserem Netze fangen lässt…“ bedeutete bislang, dass wir nur das erkennen, wofür wir eine Sprache hatten. Da wir in Objekt-Subjekt-Teilung leben, muss alles identifizierbar sein, um darüber sprechen zu können. „…diese (Empfindungen, CJG) wieder sind die Grundlagen aller unserer Urtheile…“, schreibt Nietzsche weiter. Das Wort Ur-Teil sagt schon alles. Hier findet Teilung statt. Teilung der daseienden Substanz in ihre abstrakte Form. Teilung, die notwendiger Weise Reduzierung bedeutet. Die Vereinzelung macht greif- und ansprechbar, legt Identitäten fest. Die Identitäten jedoch sind nicht in ihrer Ganzheit formuliert, sondern nur in Reduziertheit zuordbar.

Mit jeder Überführung eines Dinges in die Sprache geht die Abstraktion, also die Ver-Geistigung einher. Könnte also ein Ausweg zur „Wirklichkeit“ darin liegen, den Körper gegen die Vergeistigung in Stellung zu bringen? Manche versuchen das und sind dabei freilich ganz in unserer Tradition der Dichotomien gefangen, denn die Formulierung eines Anderen ist eben eines dieser „Ur-Teile“. Die Empfindungen führen uns ins Ur-Teil. Diese aber sind „…Lug und Trug…“ und lediglich die „…Gewohnheiten unserer Sinne…“. Auf den Körper als Zugang zur „Wirklichkeit“ scheint daher kein Verlass zu sein.

Abschließend noch ein Beispiel aus der aktuellen Tagespresse, das von Ur-Teilen, Reduzierungen, Objekt-Subjekt-Spaltung und „…Lug und Trug…“ nur so wimmelt:

„…Herr Professor Mosbrugger, Sie haben die Menschen einmal als ganz normale Parasiten bezeichnet.”

Volker Mosbrugger:
Ja, das stimmt. Der Mensch verhält sich auf der Erde ja nicht grundsätzlich anders als jedes beliebige Bakterium, jede Ameise oder jeder Vogel. Wir nutzen alle verfügbaren Ressourcen, um möglichst gut und zahlreich zu überleben. So machen das alle Lebewesen auf der Erde. Das Einzige, was uns von ihnen unterscheidet, ist die Fähigkeit, über unser Handeln zu reflektieren – und gegebenenfalls anders zu handeln…“

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt