G: Wie lassen sich Architektur und Poesie zusammen denken? Was hat das flüchtige und stets wandelbare Milieu der Sprache zu tun mit der festen, soliden und statischen Lastigkeit von Baukörpern?
H: „…das Dichten lässt das Wohnen allererst ein Wohnen sein. Dichten ist das eigentliche Wohnenlassen. Allein, wodurch gelangen wir zu einer Wohnung? Durch das Bauen. Dichten ist, als Wohnenlassen, ein Bauen…“ (193)
G: Der gemeinsame Nenner der beiden „Pole“ Architektur und Poesie oder hier bei Heidegger Dichten und Wohnen ist ihre Verfasstheit, ist ihr Wesen. Das menschliche Leben vollzieht sich wesenhaft. Diese unausgesprochene Basis ist es, die eine vitale Schnittstelle bildet zwischen vermeintlich flüchtigen und festen Zuständen. Der Mensch ist quasi das Bindeglied, er ist die leibhaftige Schnittstelle und auch das Interface, das in alle Richtungen agieren kann; sendend wie empfangend, wenn man das mechanistisch sehen will.
H: „…Allein, woher haben wir Menschen die Auskunft über das Wesen des Wohnens und des Dichtens? (…) Die Sprache winkt uns zuerst und dann wieder zuletzt das Wesen einer Sache zu…“ (193/194)
G: Die Sprache ist kein bloßes Kommunikationswerkzeug bei Heidegger. Um hier mitzugehen, sollte man vermeintliche Kausalitäten vermeiden und das Lebendige selbst als ein Fließen verstehen, denn als ein Festlegen und Beharren in Sinne des modernen Wissenschaftsmenschen. Es geht nicht um richtig oder falsch, logisch oder unlogisch, real oder irreal. Er geht bestenfalls stets um alles gleichzeitig und noch viel mehr darüber hinaus.
H: „…Das gewöhnlich und oft ausschließlich betriebene und darum allein bekannte Bauen bringt zwar die Fülle der Verdienste in das Wohnen. Doch der Mensch vermag das Wohnen nur, wenn er schon in anderer Weise gebaut hat und baut und zu bauen gesonnen bleibt…“ (195)
G: Bauen wird hier ähnlich aufgeweitet wie die Sprache. Bauen ist nicht nur das Setzen eines Steines auf den anderen oder das Verputzen der Wände. Das Wesen des Bauens soll berührt werden. Es steht zusammen mit dem Menschen auf der Erde. Poesie ist nicht allein im Reich der Gedanken verortet. Sie hat auch eine Erdung, sie ist auch fleischlich, sie ist wesenhaft ausgreifend.
H: „…Dieses (das Wesen des Dichtens, CJG) überfliegt und übersteigt die Erde nicht, um sie zu verlassen und über ihr zu schweben. Das Dichten bringt den Menschen erst auf die Erde, zu ihr, bringt ihn so in das Wohnen…“
G: Der Mensch selbst erscheint als multiples Interface auf der Schnittstelle zwischen Dichten und Bauen, zwischen Poesie und Architektur. Ihm sind Interaktionsformen möglich, weil er sich ansprechen lassen kann vom Wesenhaften, das dem Bauen und Dichten innewohnt.
(H: Martin Heidegger: „…dichterisch wohnet der Mensch…“; In: Gesamtausgabe, Band 7, Frankfurt am Main 2000)