Der Mensch als Konstrukteur …

By cjg on 5. Januar 2016 — 1 min read

Die Fähigkeit zum Konstruktiven ist das Idealbild eines freien und unabhängigen menschlichen Wesens. Die Rolle der Geometrie, der Logik, des Rechnens ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Indem der Mensch zum Konstrukteur wird, kreiert er nichts weniger, als die Welt. Quasi gottgleich tritt er auf, jedoch wie der griechische Demiurg, der Vorgefundenes „lediglich“ ordnet und nicht in der Tradition des Christengottes, der aus dem Nichts (Creatio ex nihilo) schöpft!

Das Artifizielle ist die einzige Möglichkeit des konstruierenden Menschen. Etwas außerhalb dieser Künstlichkeit wird nicht benötigt. Es gibt jedoch gewaltige Preise, die der Konstrukteur zahlen muss für seine Welt: die Beschränktheit der künstlichen Spähen, ihre Gebundenheit an das ausschließlich Rationale, die Fehlerhaftigkeit des Erzeugten und die bewusste Ausklammerung dessen, was Außerhalb des jeweilig möglichen Konstruktions- und Vorstellungsvermögens liegt.

Nietzsche hat das trefflich ausgedrückt: „…Im Gefängniss. — Mein Auge, wie stark oder schwach es nun ist, sieht nur ein Stück weit, und in diesem Stück webe und lebe ich, diese Horizont-Linie ist mein nächstes grosses und kleines Verhängniss, dem ich nicht entlaufen kann. Um jedes Wesen legt sich derart ein concentrischer Kreis, der einen Mittelpunct hat und der ihm eigenthümlich ist. Ähnlich schliesst uns das Ohr in einen kleinen Raum ein, ähnlich das Getast. Nach diesen Horizonten, in welche, wie in Gefängnissmauern, Jeden von uns unsere Sinne einschliessen, messen wir nun die Welt, wir nennen Dieses nah und Jenes fern, Dieses gross und Jenes klein, Dieses hart und Jenes weich: diess Messen nennen wir Empfinden, — es sind Alles, Alles Irrthümer an sich!…“ (KSA 3; S. 110)

Die Architektur und Ingenieurskunst sind nun die Paradedisziplinen des „Weltenbauers Mensch“. Wenn man den reduktionistischen Charakter des Vorstellungs-, Wissenschafts- und Begriffsbetriebs unseres Kulturkreises durchschaut, ist es ganz selbstverständlich, dass alle hergestellten Dinge (also auch Bauwerke) unvollkommen sind wie ihre Schöpfer und in Anbetracht des endlosen „Strandes der Möglichkeiten“ nur einen winzigen Sandkorn darstellen.

Wie könnten aber Architekturen aussehen, die sich ihren Irrtümlichkeiten stellen? Vielleicht sollten wir so bauen, wie Heidegger schreibt: „…Im Geschriebenen verschwindet das Gedachte, wenn das Schreiben es nicht vermag, im Geschriebenen selbst noch ein Gehen des Denkens, ein Weg zu bleiben…“ (GA 8; S. 53)

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt