Die Nietzsche-Bauleitung …

By cjg on 20. Januar 2016 — 2 mins read

Heute nun kommt Nietzsche zu Wort. Das Wirken des Baues steht auch bei ihm im Mittelpunkt, jedoch mit einem durchaus brachialen Hintergrund, nämlich als Ausdruck des „überzeitlichen“ Willens zur Macht.

Wirken und Walten werden bei Nietzsche nicht in Verbindung gebracht mit metaphysischen oder religiösen Themen, sondern als Ausdruck des Wechselspiels von dionysisch und apollinisch gesehen. Ein form-fordernder Wille (zur Macht) bezwingt das ekstatisch Fremde und Bewegte. Er hat eine feste Form zum Ziel. Freilich könnte man den Willen zur Macht auch als Metaphysik begreifen, aber das wäre ein extra Thema.

In dieser Deutung tritt das Bauwerk dem lebendigen Prinzip förmlich entgegen und wird dessen dionysischer Natur entrissen. Nietzsches Architekturtheorie wäre also über die Möglichkeit der Ausbreitung einer Atmosphäre zu begreifen, die durch den bloßen (apollinischen) Willen zur Ordnung und damit zum Gegenteil des (dionysischen) Chaos wirksam wird.

Ideen und Begriffe werden nach Nietzsche das Bau-Material des Menschen: „…Man darf hier den Menschen wohl bewundern als ein gewaltiges Baugenie, dem auf beweglichen Fundamenten und gleichsam auf fliessendem Wasser das Aufthürmen eines unendlich complicirten Begriffsdomes gelingt; freilich, um auf solchen Fundamenten Halt zu finden, muss es ein Bau, wie aus Spinnefäden sein, so zart, um von der Welle mit fortgetragen, so fest, um nicht von dem Winde auseinander geblasen zu werden. Als Baugenie erhebt sich solcher Maassen der Mensch weit über die Biene: diese baut aus Wachs, das sie aus der Natur zusammenholt, er aus dem weit zarteren Stoffe der Begriffe, die er erst aus sich fabriciren muss…” (Nietzsche KSA 1, S. 875)

Das Ungeordnete, Fließende, Musikalische ist zwar das Gegenteil der starren Regelmäßigkeiten der Begriffe, aber auch konstituierend für sie; es ist ein Paar, um das es hier geht, wenn auch ein Gegensatzpaar. Schön ist, dass aus diesem Gedanken der Starre einer architektonischen Form eine imaginäre Bewegtheit zugebilligt wird. Der Architekt ist es, der den Spagat schaffen kann zwischen dynamisch, musikalisch, dionysisch auf der einen und solide, gefügt und der Ordnung folgend auf der anderen Seite.

Was mir an dieser Deutung fehlt, ist der Horizont, in dem der Wille zur Macht verspannt ist. Eine „Willenssphäre“ würde sich ja bei jedem Bauwerk ausbreiten, theoretisch also auch bei einer wellblechernen Ballerbude banalsten Zuschnitts. Dem, was etwa das Wahre wäre bei der Baukunst, kann man mit diesem Nietzsche jedenfalls nicht näher kommen. Wenn der Mensch die Begriffe nämlich „…erst aus sich fabriciren muss…“ sind die Architekturen ebenso relativ wie ihre abstrakten, gedanklichen Baumaterialien.

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt