Dunkel-Baukunst …

By cjg on 30. Januar 2016 — 2 mins read

Das Kind sollte nicht mit dem Bade augeschüttet werden und das Reflektieren ist also zu scheiden von der Bannschaft durch die Konstruktionen. Das Entscheidende für meine Fragstellungen ist das Zwischen, der Raum, die Sphäre inmitten der Dinge. Merleau Ponty tangiert dieses Zwischen in „Der Philosoph und sein Schatten“ sehr schön: „…Wie die wahrgenommene Welt nur durch die Widerspiegelungen, die Schatten, die Ebenen, die Horizonte zwischen den Dingen gehalten wird, die selbst nicht die Dinge sind und die auch nicht nichts sind, die jedoch allein die Felder möglicher Variationen desselben Dinges und derselben Welt umgrenzen…“ (In: Merleau Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, Hamburg 2003, S. 244)

Sehen möchte ich ein solches „Reflektieren im Zwischen“ als Denken. Dieses beginnt dort, wo das „reine“ Erkennen aufhört. Bei dem Wahrnehmen seiner toten Punkte, seiner Leerräume, seiner Fehler, seiner Aus- und Abblendungen. Das Denken bewegt sich im Zwischen der Konstruktionen. Es ist verortet im Halbdunkel, in dem alle Möglichkeiten (noch) geborgen sind.

Schön ist hier die Merleau Pontysche Definition der Phänomenologie, die er aus Husserl ableitet: „…Die Phänomenologie ist letztlich weder ein Materialismus noch eine Philosophie des Geistes. Ihre eigentliche Leistung besteht darin, die vortheoretische Schicht aufzudecken, in der beide Idealisierungen ihr relatives Recht erhalten und überwunden werden…“ (Ebd. 251). Zu den Dingen selbst kommen, über die Dinge angesprochen werden kann man also im Halbdunkel der Verborgenheit. Das Operieren in diesem Halbdunkel müsste ein anderes Erkennen sein; eines das hinaus geht – müsste ein Denken sein.

Nehmen wir den einzelnen Menschen. Er sieht andere Menschen wie sich selbst als Einzelheit, als Objekt, das im Zusammenhang steht, das in Beziehung steht mit anderen Objekten. Das Halbdunkel wäre dann ein Raum von Möglichkeiten; ein ungeklärter Zustand; eine Realität, die umfassender ist, als „fest-gestellte“ Gewissheit; eine Wahrnehmung in Sinne von Nehmen eines Gegebenen; ein Verhältnis anstelle einer Konstruktion; eher atmosphärisch anstelle von deskriptiv.

Wie würde wohl die Baukunst in diesem Halbdunkel umgehen? Kann eine auf Klärung drängende und etlichen Zwängen unterworfene Kunstgattung wie die Architektur dem Menschen zu einer unverstellten Relationalität im Zwischen verhelfen? Wäre eine Architektur, die so etwas zustande bringt nicht geradezu „therapeutisch“? Es wäre eine weg-hafte, eine forschende Baukunst, eine, die es zu ent-decken gälte. Es wäre Architektur, die ihre Begrenzungen nur nötig hat, um über sie hinaus zu kommen.

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt