Erkennendes Verhalten …

By cjg on 6. Februar 2016 — 1 min read

„…Das eigentliche Fundament ist das radikale existenzielle Ergreifen und die Zeitigung der Fraglichkeit; sich und das Leben und die entscheidenden Vollzüge in die Fraglichkeit zu stellen, ist der Grundbegriff aller und der radikalsten Erhellung. Der so verstandene Skeptizismus ist Anfang und auch das Ende der Philosophie…“ (Heidegger; GA 61, S. 35).

Hier steht also der Weg offen für die wohl heftigste Verwundung. Diejenige nämlich, die dem eigenen Ende gleicht: „…Philosophie und was sie ist, kann nur erlebt werden…“ (Ebd.), heißt es weiter. Dieses Erleben ist allerdings nicht das Ziel des Fragens, sondern sein Beginn. Das Erleben eröffnet den existentiellen Zugang zu einem hochbewegten und glatten Untergrund. Wie ein Schlitten, der den Berg herunterfährt und mit hohem Tempo auf einen spiegelglatten, zugefrorenen See schellt, ist der Fragende in die Bewegung geraten und muss nun zusehen, wie er die Situation in den Griff bekommt.

Es wird auch klar, warum eine ‚erlebte‘ Philosophie eng verbunden ist mit dem Wesen der Dinge. Sie will nicht erklären im Sinne vom Festlegen in einer Spezialdisziplin, sondern einen Zugang dazu und die Verbindung dorthin öffnen – und offen halten. In diesem Suchen berührt sie etwas zutiefst Menschliches. Das Suchen, Bewegt-sein, Unterwegs-sein nämlich, baut die Brücke zur wesenhaften Bestimmung der Dinge: „…Philosophisches Erkennen zielt auf etwas Letztes, Allgemeines, das Oberste (…) Sie ist erkennendes Verhalten von etwas…“ (Ebd., S. 57).

Philosophie und Erkennen und Wesen gehören zusammen. Sie werden erschlossen durch ein Verhalten. Dieses Verhalten hat eine leibliche Dimension und geht einher mit einem existentiellen Ergreifen. Eros ist der Schlüssel zu solchem Erkennen und nicht Thanatos, um mal einen Griff in die Freudsche Terminologie zu machen. Wie (im besten Sinne) weit entfernt also ist so ein Philosophieren vom vernünftelnden ‚Eunuchen-Diskurs‘ so mancher?

Wenn Heidegger entlang am Denken des Aristoteles das philosophische Erkennen einem leiblichen Vollzugscharakter gleichsetzt, spricht er auch etwas über die Baukunst, denn auch sie wird wesenhaft, indem sie „…zugleich radikalste Einstellung und ursprünglichster Sinn der Gegenstandserfassung als solcher (ist, CJG)…“ (Ebd.). Eine Architektur, die es vermag, den in ihr versammelten Menschen Möglichkeiten zu Interaktion und erkennendem Verhalten zu eröffnen, gibt ihre Bewohner auch frei in ein existentielles Wirkungsfeld. Sie stiftet eine zutiefst schöpferische Atmosphäre, in der Stimulans herrscht und Raum von räumen begriffen wird.

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt