Perspektiven, Maßstäbe, Regeln und andere Irrtümer prägen die Zustände von uns Daseienden schier unaufhörlich. Sie sind ein wichtiger Teil der universellen Konstruktion, unter der viele alltägliches „Leben“ verstehen wollen. Aber was ist mit den Momenten, die ein (fast) jeder kennt z.B. bei einem Konzert, dem Gang durch eine Kathedrale, dem Verweilen vor oder in ganz bestimmten Gebäuden, Landschaften, Bildern oder Skulpturen? Es „passiert“ in solchen Momenten „etwas“…Aber was?
Es wirkt in solchen Momenten keine eigene Perspektive, hier ist man nicht Sender, sondern Empfänger, scheint es. Hier begegnet man etwas, hat Anteil. Aber woran? An einer „…Doppelseitigkeit der Welt“, so Figal und mit Blick auf das Dinghafte weiter: „Auch was an sich da ist, ist (zwar auch, CJG) nur für uns an sich da. Aber in seinem Ansich ist es erfahrbar, sobald es nicht aus der Perspektive unseres Zugriffs begegnet, sondern entgegensteht und in seinem Entgegenstehen angenommen und dargestellt wird…“.
Wir „treffen“ also auf Dinge, die zwar Teil der üblichen Mustern unseres Weltvollzugs sind, sich aber gleichzeitig daraus abheben und uns entgegen-stehen. „…Widerständig, lebensweltresistent in diesem Sinne sind Kunstwerke. Mit jedem Kunstwerk – vorausgesetzt, dass es seinen Namen verdient – steht etwas in die Lebenswelt herein, das ihren Maßstäben inkommensurabel ist…“.
Das Kunstwerk ist da, als Gegen-Stand, als Wider-Stand da. So kann es Kunstwerk sein. Es hat die Frage nach Bedeutung nicht nötig, die so mancher Betrachter gern stellt. Auch die beliebten Folgefragen nach Sinn und Aussage sind irrig, denn „…Bedeutung ist in der Kunst nicht die vorausgesetzte, schon bekannte und in bestimmter Hinsicht gegebene Bedeutung von etwas. Vielmehr ist sie als solche zu erfahren, als Gefüge von Bedeutungsmomenten, als komplexe Ganzheit, als überraschende Konstellation…“.
Erfahrung über die Dinghaftigkeit eines Werks durch die „Freilegung“ seiner ursprünglichen Wider-Ständigkeit. Um nicht mehr aber auch nicht weniger geht es beim Kunstwerk. „…Kunst ist nicht Aussage, sondern Vergegenständlichung…“. Mit dieser Haltung lassen sich alle Grabenkämpfe der „Irrtumsliebhaber“ unserer Tage elegant umschiffen. Diese Definition ist konkret und gleichzeitig genügend offen. Sie steht für das Unterwegs-Sein und für den Weg. Sie steht für das Dazwischen, für das also, was den Menschen ausmacht (ausmachen sollte)…