G: Schellings Überlegungen vom Anfang allen Denkens sind also verbunden mit einer Befreiung, in der das Andere ein Garant des Selbst wird.
S: „…Ein Wesen, das in seinem Urseyn, worin es von selbst ist, beharren müsste, könnte nur starr und unbeweglich, todt und unfrei seyn. Selbst der Mensch muss von seinem Seyn sich losreissen, um ein freies Seyn anzufangen. Je höher die Macht dieser Selbstentschlagung und Entäusserung (Objectivmachung des unwillkührlichen Seyns), desto productiver, unabhängiger, göttlicher erscheint der Mensch. Sich von sich selbst zu befreien, ist die Aufgabe aller Bildung. Die Menschen. Die, welche nicht von sich hinwegkommen, bleiben unvermögend…“ (S. 455/456)
G: Das Aufspalten einer Absolutheit in ihre Möglichkeiten gleicht keiner ‚Vertreibung aus dem Paradies‘ und also nicht dem Beginn eines Verhängnisses, sondern erscheint als größter Freiheitsakt, als Akt des Lichtens.
S: „…Die Idee offenbart Gott die Potenz, durch die er sich befreit…” (S. 462)
G: Dieser Anfang ist auch der Kern der Möglichkeit. Mit ihr wird die erste Differenz wirksam und kommt so in ihre Wirklichkeit. Hier lichtet sich auch ein Raum des Denkens und nimmt Sprache ihren Beginn. Die Freiheit und das Wollen markieren diese Lichtung. Nicht nur für Gott, sondern auch für den Menschen.
S: „…der menschliche Geist entfesselt sich in der wirklichen Freiheit gegen alles Seyn und (sieht sich, CJG) berechtigt (…) zu fragen, nicht: was ist, sondern: was kann seyn…“ (S. 89)
G: Vorhandenes wirkt, es IST in seiner Wirk-lichkeit. So scheint es jedenfalls. Das Andere jedoch macht die Wirk-lichkeit erst möglich. Es IST die Möglichkeit dazu, der Wandel dorthin, die Bewegung des Zustands. Das Andere des Selbst IST im Zustand des Noch-Nicht. Es IST außerhalb und innerhalb des Vorhandenen – gleichzeitg.
S: „…Es kommt dem, was existirt, dem Existirenden selbst, zuvor, so dass dieses gar nicht als Wesen gesezt ist, sondern ganz ekstatisch, ausser sich gesezt, geradezu das Seyende ist. Das Wesen hat sich nicht entäussert, sondern ist entäussert, ehe es sich denkt…” (S. 460)
G: Beziehen wir den ‚gelichteten Zustand‘ auf die Baukunst. Bleibt die Architektur nicht allzu oft in ihrer Wirklichkeit gefangen und bedient sich lediglich der Möglichkeiten in Form von bewegenden Leihgaben wie Licht, Klang oder Wind? Diese Wegweiser des Wandels werden erspürt. Kann man das Andere der Baukunst „nur“ denken?
S: „…Allerdings; menschliche Hervorbringungen können von ihrer Möglichkeit aus vorher gesehen werden. Aber es giebt auch Dinge, deren Möglichkeit erst durch ihre Wirklichkeit eingesehen wird…“ (S. 451)
(S: F.W.J. Schelling: Werke, Band 13, Philosophie der Offenbarung, Stuttgart 1856)