Musikalische Spiegelblicke …

By cjg on 7. Januar 2016 — 1 min read

Kann der menschliche Körper -anstelle des Intellekts- ein zuverlässiges Mittel sein, mit der Welt in einen Bezug zu kommen – allerdings vor dem ernüchternden Hintergrund der Nietzscheanischen „Lug und Trug-Modelle“.

Nun, gestern Abend wurde mir erneut klar, dass der Körper auch in seiner „Sinnenwelt“, also der un-rationalen Welt, von der Teilung in Objekt-Subjekt affiziert ist. Interessant war dabei allerdings die offene Schnittstelle zur Emotion. Genauer schreibe ich im Moment über Gustav Mahlers dritte Symphonie, die ich gestern das große Vergnügen hatte, in der Berliner Philharmonie zu erleben.

Wie immer bei Mahler konnte ich keine zusammenhängende Struktur erfassen und hatte in jedem Augenblick des Hörens alles Vorausgegangene vergessen. Mahler zu hören, kommt einem Unterwegssein gleich, einem „un-bedingten“ Zustand der absoluten Bewegung in deren jeweiliger Gegenwart. Der Verlauf der Musik ist so radikal augenblicklich, dass noch nicht einmal das Wort „fragmentarisch“ zur Beschreibung ausreicht.

Ist jede Melodie, jeder Ton radikal, individualisiert und anarchisch -also „hyperobjektiv?- oder ist genau das Gegenteil der Fall? Ist denn nicht bei Mahler ein Zustand am Werk, der das Subjekt daran hindert, sich in die erlernte Beziehung zum Objekt zu setzen. Ein Objekt muss nämlich keineswegs eine materielle Struktur haben, sondern wird lediglich über seine Begrenztheit definiert. Das Nicht-Ich ist der jeweilige Gegenstand der Wahrnehmungsarbeit und zugehörige Grenzziehungen passieren durch Töne genauso wie durch Mauern und Wände – wenngleich freilich der Ton und seine Bedingung der Möglichkeit -die Zeitlichkeit- eine grundsätzlich „losere“ Objekt-Subjekt-Beziehung haben, weil ihnen die dritte Dimension fehlt.

Insofern war die Veranstaltung gestern Abend eine philosophisch-akustische Architekturlektion. Es ist möglich, eine Struktur zu schaffen, die fest ist und dennoch ein Höchstmaß an Bewegung ermöglicht. Ich bin mir dabei völlig im Klaren über die Unterschiede der „zeitgebundenen Kunst Musik“ und der „raumgebundenen Kunst Architektur“. Jede der beiden Disziplinen schafft Räume und trotzt den Menschen ein „Verhalten zu“ ab. Die Schnittstelle dieser Raumbegriffe ist der Mensch. Also ist eine Ausweitung unserer Wahrnehmung möglich und dabei ein „Drittes“ schaffbar zu Objekt und Subjekt. Das könnte eine gleichermaßen vornehme wie spannende Aufgabe sein für die Baukunst der Zukunft.

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt