Die Schwierigkeiten, heutzutage übergeordnete Ideen zu finden, sind hauptsächlich darin begründet, dass im Abendland die Möglichkeit einer Einheit von allem Materiellen/Immateriellen nicht mehr gedacht wird. Spätestens seit der Aufklärung (um 1750) beginnt der heutige Mainstream unseres Kulturkreises, den sorgfältig getöteten Gott in den Menschen selbst verlagert zu haben. Seit diesen Zeiten üben sich die Mächtigen der Wissensproduktion daran, ihren Anthropozentrismus Fortschritt zu nennen.
An der Scheidelinie -unmittelbar nach Kant- wirkten die Vertreter des Deutschen Idealismus. Sie dachten die oben beschriebene, verlorene Einheit noch und versuchten die Synthese von Glauben und Wissen. Schelling ist einer der interessantesten Vertreter dieser Epoche. Er hat vieles zuerst in Worte und Sätze gefasst und zwar in Worte und Sätze, die auch noch nach rund 150 Jahren verständlich und nachvollziehbar sind.
Nach Schelling kann die Kunst zusammen mit der Philosophie das Absolute beschreiben. Dieses Absolute ist in der Natur ebenso verdeutlichbar, wie in der Kunst. Das Absolute steht für das Göttliche und ist durch Wissenschaft als Methode der Philosophie und Kunst erkennbar. Der Schellingsche Wissenschaftsbegriff ist dabei nicht einer der beschränkten, sondern der offenen Sorte. Das ist wohltuend, denn reduktionistische Fallstricke tun sich nicht auf.
Das Wahre und das Schöne werden nicht (wie heutzutage) als missglückte Phantastereien gesehen und vom einzelnen Betrachter abhängig gemacht, sondern als Urbilder erkannt, die es mit Hilfe der Philosophie und der Kunst auszumachen gilt: „…Wir werden daher zeigen müssen, daß Wahrheit und Schönheit nur zwei verschiedene Betrachtungsweisen des Einen Absoluten sind…“ (Schelling, F.W.J.: Philosophie der Kunst; unveränderter reprografischer Nachdruck aus dem Nachlass von 1859; Darmstadt 1990, S. 14)
Mit dem Allgemeinen und Besonderen spricht Schelling das Problem an, die Einheit des Absoluten auch in Teilen denken zu müssen, denn Einheit muss ja in den mannigfaltig möglichen Ergebnissen der Künste vorhanden sein. „…Das Absolute ist schlechthin Eines, aber dieses Eine absolut angeschaut in den besonderen Formen, so daß das Absolute dadurch nicht aufgehoben wird, ist = Idee (…) Die Ideen also, sofern sie als real angeschaut werden, sind der Stoff und gleichsam die allgemeine und absolute Materie der Kunst, aus welcher alle besonderen Kunstwerke als vollendete Gewächse erst hervorgehen…“ (Ebd. 14)
Da haben wir also das erste Mal die Idee. Sie ist im Denken Schellings verbunden mit dem Absoluten. Sie ist „Materie des Kunstwerks“ und sie ist Quell der Philosophie. Wie ist nun das Verhältnis zwischen Materie und Idee, wenn es durch ein Drittes -das Absolute- gebunden ist?
Das Absolute birgt Ideen. Es birgt sie durch die verschiedenen Zeiten. Die Ent-bergung des Absoluten mittels seiner Ideen bringen über die Zeiten verschiedenste Formen der Kunst hervor; Stile, Materialien, Körper ändern sich dabei: „…so ist die Musik nichts anderes als der urbildliche Rhythmus der Natur und des Universums selbst, der mittels dieser Kunst in der abgebildeten Welt durchbricht. Die vollkommenen Formen, welche die Plastik hervorbringt, sind die objektiv dargestellten Urbilder der organischen Natur selbst. Das Homerische Epos ist die Identität selbst, wie sie der Geschichte im Absoluten zu Grunde liegt. Jedes Gemälde öffnet die Intellektualwelt…“ (Ebd. 13).
Das Absolute kann also nichts Starres sein, sondern ist verdeckt und flüchtig, flüssig und bewegt. Das Absolute und das Mannigfaltige schließen sich nicht aus. Ist denn aber Alles ideengebildet oder gibt es auch “falsche” Kunst oder falsche Ideen, die zur falschen Kunst führen?