„Es gibt ja für alles eine logische Erklärung“. So sprach er, während er unter freiem, wenngleich stark bewölken Himmel saß und das Gespräch mit mir fortsetzte. Was er wohl nicht merken wollte, war die größtmögliche Distanz zwischen dem Gesprochenen und unserem momentanen Sein. Es ist schon ein großes Kunst-Stück (im Sinne von künstlich), in welcher Weise dieser Mensch entfernt war von der Welt, die er (ohne davon Notiz zu nehmen) mit mir teilte.
So war nicht nur seine Lautstärke unangemessen, sondern auch das Drängen, das unter dem Sprechen lag. Eine Art Subtext des Selbstvertrauens, der aus dem Gegenteil von Selbstbewusstsein gespeist wurde, dröhnte in meinem Inneren und blieb dabei doch für die Ohren unhörbar.
Seine Sätze glichen eher Attacken. Sie bäumten sich dabei nicht nur gegen mich auf, sondern verbliebenen als Dissonanzen im Raum. Sie wirkten als aggressive Implantate in einer Sphäre, die uns schweigend, ruhend und mächtig umgab. So begann ich bald, nicht mehr ihm, sondern der Welt zuzuhören.
Dieser Tag war schon seit dem Morgen etwas Besonderes. Es war so, als wolle er nicht wach werden, einfach nicht aus dem Bett kommen, die Vorhänge nicht aufziehen. Eine gewisse Dichte war ihm zu eigen. Sie hatte es zuvor schon schwer gemacht, zum Treffen zu fahren – jeder tritt in die Pedale viel doppelt schwer. Man musste sich förmlich durch einen Widerstand hindurch bewegen.
Auch im Sitzen am Treffpunkt wurde es nicht anders. Die Trägheit des Tages wälzte sich durch den Stadtraum. Sie ergoss sich unaufhörlich in die Räume und füllte sie langsam auf. Nur die Feuchte in der Luft korrespondierte mit der unausweichlichen Dichte dieser Atmosphäre.
Manchmal ist das verbindende Zwischen körperlicher als alle Subjekte und Objekte selbst. Man kann es dann fast mit den Händen greifen. Es umschließt einen vollkommen, wird quasi zur Materie und verliert seine Flüchtigkeit.
Das Zwischen ist dann wie die Finsternis, deren Grenze direkt am eigenen Körper entlangläuft. So, wie die Finsternis den Körper umschließt, so umschließt an diesen ganz besonderen Tagen das Zwischen hauteng alles in und außerhalb von ihm selbst. Nur, dass die Helligkeit dem Irrtum Vorschub leistet, die Grenze des Umschließens in die Ferne verlegen zu können. An diesen Tagen kämpft die Perspektive um ihre Macht und wehrt sich mit aller Vehemenz gegen die Entlarvung als Illusion.
So ist die Welt an solchen Tagen nicht weit, sondern eng. Sie zeigt nicht nur die Umschlossenheit der Menschen, sondern markiert damit auch das Terrain der Lebendigkeit schlechthin. Sie dringt auch in den Körper ein. Man atmet sie und wird davon satt. Ja, man kann sich an Luft überfressen!
Die Atmosphäre raubt die Ferne – und mit ihr die Vereinzelung. Sie löst das Subjekt auf, nicht indem sie es mit dem Objekt verschmilzt, sondern, indem sie es an ihre atmende, sättigende, pulsierende Textur verweist. Eine Textur, der man sich gewöhnlich in der Isolation des Verstandes entzieht. Einer Isolation, die mein Gegenüber Sätze sprechen lässt wie: „Es gibt ja für alles eine logische Erklärung“.