Wirkung als Mangel …?

By cjg on 20. März 2016 — 2 mins read

A: Indem nun in jeder Gattung genau getrennt sind das eine als in angestrebter Wirklichkeit da, das andere als der Möglichkeit nach vorhanden, so (gilt): Das endlich zur-Wirklichkeit-kommen eines bloß der Möglichkeit nach Vorhandenen, insofern es eben ein solches ist – das ist (entwickelnde) Veränderung…“ (51)

G: Veränderung vollzieht sich erst, wenn Möglichkeit ver-wirklicht wird. Ver-wirklichen geht einher mit Ver-gehen. Verwirklicht ist die Möglichkeit also vergangen. Der Preis der Veränderung ist ihre Vergängnis.

G: Ist bereits das Sprechen oder Denken einer Möglichkeit ihre Verwirklichung? Dann wäre Möglichkeit geknüpft an geistige Wirklichkeit. Wäre in diesem Stadium schon die Vergängnis am Werk – und wie wirklich wäre ein Gedanke?

S: „…Da nun diese (Idee, CJG) als Realität unmittelbar zugleich Idealität ist, so wird das Producirte eine Realität seyn, die von der Idealität getrennt, nicht unmittelbar durch sie bestimmt ist, eine Wirklichkeit also, welche nicht zugleich die vollständige Möglichkeit ihres Seyns in sich selbst, sondern außer sich hat, demnach eine sinnliche, bedingte Wirklichkeit…“ (S. 40)

G: Die Möglichkeit ist also ebenfalls stets das Andere des zur Wirklichkeit Gebrachthabenden. Das Andere findet gleichzeitig statt – dabei als eines unter vielen. Die Möglichkeit gleicht einem Vorwegschreiten. Sie ist auch ein Wirken. Vielmehr ist sie zusammen mit der Veränderung der Garant eines Gefüges, das zur Wirkung bringt. Das Wirkende jedoch bleibt an das Nicht der (nächsten) Möglichkeiten verwiesen. Das Wirkende wirkt durch diesen „Mangel“.

A: „…Alles, wird ja sein zugleich Wirkung ausübend und Wirkung erfahrend…“ (52)

G: Sprung zurück aus dem Materialismus des A.! Es gibt (ein) Veränderndes und (ein) Verändertes. Beide “Zustände” sind nie wesensmäßig bei sich, denn ihr zur Wirklichkeit-kommen war an das Vergehen eines Möglichen geknüpft und auch daran, den „Mangel“ (des Anderen) zu be-wirken.

G: Wirklichkeit ist zwar an das Vergehen von Möglichkeiten geknüpft, markiert aber dennoch nie das Ende des Möglichen. In die Wirklichkeit halten gleicht vielmehr auch einem Vergehen.

A: „…Noch unvollkommen ist das Mögliche, dessen Verwirklichung sie (die Veränderung, CJG) ist…“ (53)

G: Die Verwirklichung der Möglichkeiten, z.B. das Bauen eines Hauses findet demnach kein Ende, wenn das Werk fertig gestellt ist. Hier widerspreche ich A.! Das Andere, die Vergängnis und der Mangel stiften die Wirkung des Baues. Die Fertigstellung markiert nicht ein Ende, sondern einen Aufbruch in die nächste Ver-wandlung.

(A: Aristoteles: Philosophische Schriften; Übersetzt von Hans Günter Zeckl, Band 6, Hamburg 1995)
(S: F.W.J. Schelling: Werke, Band 6, Stuttgart 1856)

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt