Wirkungsweisen und Instabilitäten …

By cjg on 21. Februar 2016 — 2 mins read

G: Musik ist die Verkörperung des Geistigen, und Poesie ist die Vergeistigung des Körperlichen, soll Grillparzer gesagt haben. Ein interessanter Gedanke. Die Musik dringt direkt ein in den Menschen, in sein Fleisch. Keine Umwege, keine Abstraktionen, keine Begriffe sind nötig. Die Poesie jedoch nimmt sich der Sprache an, um sie zu verflüchtigen. Die Sprache ist aus unserem Fleisch. Sie ist an den Menschen gebunden. Deshalb kann man hier sagen, dass es die Poesie schafft, den Körper zu vergeistigen. Sie sprengt den verengenden Horizont auf und entlässt die Bilder, Abstraktionen, Begriffe aus ihren sprachlich-grammatikalischen Ordnungen.

W: „…Die Frage, ob es sich um ein Sehen oder Deuten handelt, entsteht dadurch, dass eine Deutung Ausdruck der Erfahrung wird. Und die Deutung ist nicht eine indirekte Beschreibung, sondern ihr primärer Ausdruck…“ (S. 12)

G: Nehmen wir den Zustand der apriorischen Reinheit beim Sehen, Deuten, Hören, Sprechen. Ist er er-lebbar auch außerhalb einer abgezirkelten Sphäre des Systems oder der Logik? Sicher nicht, das soll er auch nicht sein. Abgekoppelt von der Erfahrung gleicht dieser Zustand einer (äußerst instabilen) Hygienezone. Instabil ihrem Wesen nach (durch die Energien zur Reduktion), doch höchst stabil ihren formalen Ausprägungen nach (sogar kulturbestimmend, gestell-haft).

G: Menschlich ist vielmehr der Zustand der Unreinheit, der Zustand der gelebten Instabilität ihrem Wesen UND ihren formalen Ausprägungen nach.

G: Interessant ist dabei, dass das apriorische Sprechen aus dem Fleisch kommt und gleichzeitig rein vergeistigt sein will. Das ist einer Fortsetzung der Linie gleich und der direkte Gang ins nur noch Geistige, ins Auflösen des Fleisches.

W: „…Der Begriff S ist kein S? (…) Diese Worte im Satz passen zusammen; d.h. man kann die sinnlose Wortfolge hinschreiben; aber die Bedeutungskörper passen nicht zusammen. ((„Das Meinen gibt dem Satz eine weitere Dimension.“)). (S. 16/17)

G: Sind in der Sprache ebenfalls Weisen der Wirkung deutlich, wie im Gespann von Poesie und Musik? Hier vor allem die Richtung Fleisch zu Geist? Ist der Bedeutungskörper das Poetisierungspotential der Sprache?

W: „…Denk z.B. an gewisse unwillkürliche Deutungen, die wir der einen oder der anderen Stelle des Musikstücks geben. Wir sagen, diese Deutung drängt sich uns auf. (Das ist doch ein Erlebnis). Und die Deutung kann aus gewissen, rein musikalischen Beziehungen erklärt werden – wohl aber, wir wollen ja nicht erklären, sondern beschreiben…“ (S. 12)

G: Deutung als Ausdruck der Erfahrung der Unreinheit, Unklarheit der Verhältnisse ist die menschliche Verkehrsform.

G: Deutung sprachlich erklären geschieht nur im Zulassen der Dimensionierung von poetischen Sprachkörpern.

G: Deutung erfahren ge-schieht über die Musik.

Zitate:
W: Ludwig Wittgenstein: Werkausgabe; Band 7, Frankfurt am Main 1984

Veröffentlicht in: Gedankenwerkstatt