Büros zu Wissens-Werkstätten …

By cjg on 12. Februar 2016 — 5 mins read

„Wir wollen das alte Konzept von Bürogebäuden aufbrechen, in denen Menschen links und rechts der Flure in Einzelbüros, wie in Käfigen verschwinden“, so lautete das Statement von Günter Carpus beim Baubeginn für den eigenen Neubau. 150 Architekten, Ingenieure, Konstrukteure und die Verwaltungsabteilungen haben jetzt auf rund 3.700 Quadratmetern Platz. Die Zeiten seien vorbei, in denen ein statisches Raumprogramm den Entwurf dominierte, so Carpus.

Vielmehr beeinflussen auch weiche Faktoren wie Transparenz, Förderung von
Kommunikation oder eine wohnlich-angenehme Atmosphäre Kreativität und Wohlbefinden der Mitarbeiter. Es entstehen Treffpunkte, Besprechungszonen, Einzel- und Gruppenarbeitsplätze, die sich miteinander verzahnen und die den Austausch zwischen den Mitarbeitern fördern
sollen.

Kommunikationsarchitektur sieht sich in der Rolle, räumliche Angebote zu machen und Konstellationen zu ermöglichen. Diese werden genutzt oder verstreichen und darüber entscheiden die Nutzer im Gebrauch und nicht (mehr) der Architekt in der Planung. Die so genannte „C+P-Werkstatt“ von Carpus+Partner wurde aus diesen Ansätzen heraus entworfen und gebaut. Sie steht derzeit noch etwas einsam auf dem „Campus Melaten“ der Rheinisch-Westfaelischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Hier soll auf einer Fläche von rund 800 000 Quadratmetern ein Wissens- und Forschungszentrum aus unterschiedlichen Clustern entstehen. Von Automobilindustrie bis zur Werkzeugtechnik sollen hier Zukunftsbranchen ein neues Zuhause finden. Gleichzeitig wird es auch Seminar- und Schulungsgebäude, Hotels, Restaurants, kleine Geschäfte, Kindertagesstätten und verschiedene Serviceeinrichtungen geben.[nbsp]In der „C+P Werkstatt“, die im Cluster Bio-Medizintechnik beheimatet ist, befindet sich beispielsweise das „Campus-Bistro“. Es ist als Treffpunkt für das Quartier gedacht.

In der Konzeptphase wurden unternehmensspezifische Anforderungen definiert. Dazu unterzog man das alte Gebäude einer kritischen Bestandsaufnahme und konnte aus den Erkenntnissen nach und nach die gewünschte Situation abbilden. Während eines zweitägigen Workshops fanden sich Mitarbeiter aus allen Bereichen, um die Form der Zusammenarbeit in der „C+P Werkstatt“ zu definieren. Zunächst kamen weiche Faktoren zum Tragen, so sollte sich das neue Büro warm,
strukturiert, gemütlich und weit anfühlen und Ruhe, Spannung, Begegnung, Vernetzung und Vielfalt verkörpern. Dann ging es darum, das breite Tätigkeitsspektrum von Wettbewerbserstellung über Projektierungs- zu Realisierungsphasen abzubilden und dafür eine optimale architektonische Lösung zu entwickeln.
Generell lassen sich die Teammitglieder in so genannte „Siedler“ und „Nomaden“‘ teilen, denn manche Konstrukteure, Versorgungsingenieure und Architekten bleiben in einem einzigen Heimatprojekt und arbeiten permanent an ihren Plätzen, während andere beständig zwischen den Teams springen beziehungsweise unterwegs sind. Dazu gehören Architektur- und Bauleiter sowie die Projektmanager.

Als Ergebnis der Organisationsplanung entstanden drei Ebenen für jeweils 50 Mitarbeiter. Arbeitsplätze wurden in Vierer- und Sechsergruppen geteilt. Die Teams
lassen sich auf diese Weise schnell bilden, verschieben oder neu gruppieren.
Es sollte ein kompaktes, vernetztes und flexibles Gebäude entstehen. Aus diesem
Grund entschieden sich die Planer für einen Körper, der im Grundriss ein Zentralquadrat beschreibt, das von acht umgebenden Teilquadraten ergänzt wird. In den
diagonalen Eckpunkten liegen zwei Treppenhauskerne und dazu gehörige Funktionsräume. Ein gemeinsamer Windfang verteilt die Besucher in die öffentliche Gastronomie oder auf die Etagen. Hinter dem Eingang steht man direkt im Atrium an der Empfangstheke und kann die Splitlevels sehen, die sich in Form von
drei identisch strukturierten l-förmigen Arbeitsebenen um das Atrium herum winden. Die Wahl fiel auf die Splitlevel, weil somit alle Mitarbeiter zueinander in Blickbeziehung stehen können. Die weitere Erschließung ist wahlweise per Fahrstuhl oder zu Fuß mit einer kontinuierlichen, spiralförmigen Bewegung möglich, die die Besucher bis auf das begehbare Dach leitet.

Der „Spiralweg“ läuft mittig auf den Ebenen und zwischen den Arbeitstischen. Das Erdgeschoss nimmt Funktionsräume auf, birgt ein Rollarchiv wie auch unterschiedlich große Konferenzräume und bietet abschließend Platz für Bauleiterbüros. Die Realisierungsprofis sind Viel-Telefonierer und brauchen viel Stauraum für ihre Planungsunterlagen. Somit genießen sie eine Sonderstellung und erhielten separate Räume. In den übrigen Ebenen finden sich neben 50 Gruppenarbeitsplätzen jeweils eine Garderobe, eine Wasser- und Stehtheke, eine Lounge, ein Konferenzraum, die so genannte Denkzelle, ein Kopierraum und die Toiletten. Eine begehbare Atriumüberdachung sorgt für Belichtung der innenliegenden Vierer-Gruppen. Daneben verläuft ein Spiralgang, der zu den Sechser-Gruppenplätzen überleitet.

Beton und zurückhaltende Farbigkeit betonen den Innenausbau. Die Wände blieben bewusst unverputzt. Einige Möbel und Einbauten sind aus Eichenholz.Alle Arbeitsplätze sind identisch ausgestattet mit zwei gleich großen Monitoren an einem Schwenkarm und Dockingstations für Laptops. Es gibt keine Desktop-Rechner, da die Mitarbeiter flexibel in der Platzwahl sein sollen. Ein Hohlraum/ Doppelboden führt die Verkabelung an der Fassade beziehungsweise dem Atrium entlang. Um maximale Beinfreiheit zu erhalten wurde auf Rollcontainer verzichtet. Stattdessen verfügt jeder Mitarbeiter über Regalfläche, drei DIN-A4-Ablagefächer, Stiftschale und ein abschließbares Wertfach. Die Regalflächen wurden drei Ordner hoch ausgeführt, um auch als Steharbeitsplatz genutzt werden zu können.

Damit sich der entstehende Schall durch Telefonate, Besprechungen und andere
Geräusche nicht zu stark im Haus ausbreiten kann, kam ein textiler Bodenbelag zum Einsatz und Teile der Decken sowie die Wände zu den beiden Treppenhauskernen wurden komplett mit perforierten Gipskartonplatten mit Mineralstoffdämmung belegt. Zusätzlich entwickelte Carpus+Partner ein quadratisches multifunktionales Deckensegel, das unter sämtlichen Decken abgehängt wurde. Das Segel dient als Heiz- und Kühlsegel, als Akustikpuffer, nimmt die Leuchtstoffröhren der Sicherheitsbeleuchtung auf und verbirgt die Hauptleitungen der Sprinkleranlage. Die Verschattung der vertikalen Glasfassaden leistet ein außen liegender Sonnenschutz aus sensorengesteuerten, motorisierten und lichtlenkenden Aluminium-Lamellen. Das horizontale Glasdach des Atriums wiederum erhält einen textilenSonnenschutz von außen. Gekühlt und geheizt wird das Gebäude über eine Wärmepumpe in Verbindung mit Erdsonden und kommt ohne fossile Brennstoffe aus.

Auf der Zentraltreppe im Erdgeschoss und auch auf den Treppen, die die Etagen verbinden, sind teilweise Holzblöcke als Sitzstufen vorgesehen. Generell dienen diese Zonen zum Verweilen. Es sind Treffpunkte für informelle Besprechungen, in denen spontane Ideen entwickelt werden können. Auch der großzügige Dachgarten steht als Aufenthaltsbereich zur Verfügung. Er ist wie eine Düne gestaltet. Inder hügeligen Landschaft aus sandfarbendem Split wachsen Pfeifenputzer- oder
Schilfgräser. So lässt es sich, besonders bei sommerlichen Temperaturen, gut leben und arbeiten.

Erschienen Mensch & Büro