Das Projekt gehört in den Mittelpunkt …

By cjg on 13. Februar 2016 — 10 mins read

Nicht nur die Bauplaner sind mit der Balance zwischen Kosten, Qualitäten und Terminen konfrontiert. Die vielfältigen Beziehungen innerhalb dieses Dreiecks haben im letzten Jahrzehnt das Berufsbild des Projektmanagers nicht nur entstehen, sondern dominant werden lassen. Kaum ein größeres Bauvorhaben kommt noch ohne diese Integratoren aus. Unter das Stichwort ‚Qualitäten‘ fallen auch die Auswirkungen des rasant wachsenden Wissens. Hatte es früher genügt, die Technische Gebäudeausrüstung, Statik oder Freiflächenplanung zu integrieren, so müssen heutzutage noch eine Vielzahl mehr Sonderfachleute in die Prozesse eingebunden werden – die Rede ist hier z.B. von: Energieberatern, Fassaden- oder Küchenplanern oder auch Bauphysikern bzw. -dynamikern. Thomas Geißler von „formitas – Gesellschaft für Information und Kommunikation“ beschäftigt sich professionell mit internetbasierendem Projektmanagement (sog. IBPM) für Architektur- und Ingenieurbüros und stand für das folgende Interview zur Verfügung.
Keine Alternative zum PM?

CJG: Mit welchen Anforderungen sind Planungsbüros heutzutage konfrontiert?

TG: Ich beobachte in den letzten Jahren eine kontinuierliche Entwicklung im Bauwesen. Der Zeitdruck in den Projekten wird immer größer und die Baubudgets gleichzeitig immer knapper. Ferner müssen deutlich mehr Planungsbeteiligte koordiniert werden, die teilweise weit voneinander entfernt arbeiten. Es ist heutzutage fast selbstverständlich geworden, dass ein Aachener Architekt auch Projekte in Zwickau abwickelt. Unser Wirtschaftsleben ist halt von dem Thema Effizienz bestimmt, denn nur durch entsprechendes Handeln kann es für Planer überhaupt noch gelingen, auskömmlich zu arbeiten.

CJG: Gibt es also einen regelrechten Zwang zu wirtschaftlichem Handeln im Angesicht des Wettbewerbs?

TG: Ja, das wirkt in ziemlich breiter Ebene. Ich erlebe es z.B. bei unseren Kunden, die sich auf VOF-Ausschreibungen bewerben. Es gibt da eine Reihe von Parametern zu erfüllen, bevor ein Büro überhaupt zugelassen wird bzw. die Chance bekommt, seine Planungen vorzustellen. Diese Rahmenbedingungen haben oftmals mit Projektorganisation und eingesetzten IT-Tools zu tun – z.B. Layersystematiken in CAD-Planungen bis hin zur verschlüsselten Übertragung des E-Mail-Verkehrs. Also findet nicht nur durch die vorzuweisenden Referenzobjekte eine Professionalisierung des Planermarktes statt, sondern auch über das Niveau der IT in den Büros. Das mag Mancher beklagen, denn die Schattenseite ist sicherlich, dass nicht gut organisierte Planer kaum noch an solche Aufträge kommen.

CJG: Die Rolle des Bauherrnvertreters liegt mittlerweile bei den Projektmanagern. Lohnt dennoch oder gerade deswegen der Aufbau von PM-Kompetenz für die Architekten?

TG: Für viele Architekten ist es ganz sicher schmerzhaft, dass ihre traditionellen Arbeitsfelder, wie z.B. die Bauherrenvertretung und auch die Steuerung von Projekten, auf Spezialisten ausgelagert wurden. Die Chance darin kann jedoch sein, eigene Kernkompetenzen zu schärfen und das Büro effizient und damit auch zukunftssicher zu organisieren. Wie ich oben schon sagte, wird der gute Ruf des Architekturbüros heutzutage erheblich dadurch bestimmt, dass die Projekte effizient abgewickelt werden. Insofern sollte jeder Planer die Grundzüge des Projektmanagements beherzigen.

CJG: Ist Projektmanagement abhängig von der Büro- oder Projektgröße?

TG: Ein effizient arbeitendes Planungsunternehmen mit sagen wir fünf Mitarbeitern kann durchaus größere Projekte abwickeln. Projektmanagement und natürlich auch entsprechende Werkzeuge wie IBPM, sind also nicht abhängig von der Größe des Büros, sondern eher von der zu erwartenden Komplexität der Projekte.

CJG: Zum effizienten Projektmanagement scheint es also heutzutage keine wirkliche Alternative mehr zu geben. Wie ist nun aber der Schritt zum internetbasierenden Projektmanagement begründet?

TG: Eigentlich kommt hier nur eines zum anderen und IBPM ist die fast organisch entstandene Antwort. Wenn nämlich Projekte im Dreieck Kosten, Qualitäten und Termine abgewickelt werden müssen, die beteiligten Planer mit einer Fülle von Wissen umzugehen haben und die räumlicher Distanz untereinander teilweise recht groß ist, braucht man einen zentralen Projektraum, auf den alle zugreifen können. Hier wiederum ist die Internetlösung eine folgerichtige Konsequenz, denn von verschiedensten Seiten erreichbar stehen zu verschiedensten Zeiten alle relevanten Daten zur Verfügung. Hieraus ergibt sich wiederum etwas, dessen Betonung mir sehr wichtig ist: Nicht der Planer, sondern das Projekt gehört in den Mittelpunkt! Nur so funktioniert modernes Projektmanagement und auch IBPM.

CJG: Das hört sich ein wenig nach einem Paradigmenwechsel an. Muss sich im Planungsbüro zum Beispiel die Unternehmenskultur und auch bisherige Organisation der Projekte verändern, damit die IBPM Sinn macht?

TG: Nun, man muss einfach auf die Zeichen der Zeit hören. Früher mag es richtig gewesen sein, Wissen nur über den Architekten zu verteilen. Heutzutage jedoch ist das nicht mehr leistbar, denn allein wegen der Anzahl der Beteiligten und der Komplexität des Fachwissens wäre man hoffnungslos überfordert. Steht aber das Projekt im Mittelpunkt, können die angeschlossenen Ingenieure ohne Zeitverzug laufend auf die aktuellen Stände zugreifen bzw. diese auch verändern und untereinander kommunizieren. Herrschaftswissen ist schlichtweg ineffizient, denn es kostet Zeit, vermindert die Qualität und treibt dadurch die Kosten in die Höhe. Planungsbüros stehen also durchaus vor der Herausforderung, transparent zu arbeiten. Das lässt sicher auch manches Schlupfloch verschwinden, was wiederum nicht jedem gefallen dürfte.

CJG: Was sind denn die konkreten Vorteile von IBPM?

TG: Herkömmliche Kommunikationsstrukturen (z.B. die Briefpost) mussten nur gewährleisten, dass Informationen vom Sender zum Empfänger gelangen und auch in der virtuellen Welt arbeiten manche Planer noch so, d.h. sie schicken per E-Mail Pläne, Protokolle und Dateien hin und her. Die Einfachheit der E-Mail kann aber leicht dazu verführen, irrelevante Informationen zu verschicken und die Beteiligten regelrecht zu überfluten. Mit IBPM sind wir deutlich weiter, denn es wird nicht nur transportiert, sondern entsprechend den Festlegungen im Rollen- und Rechtemanagement selbstständig geschickt, abgeholt, editiert, archiviert bzw. historisiert. Dadurch gibt es eine enorme Zeitersparnis, die Ergebnisse werden vergleichbar, die Einbindung der Projektbeteiligten erfolgt automatisch und der Planungsprozess wird für alle transparent. Vergessen wir nicht den Service für die Bauherren, an einem zentralen Ort sämtliche relevanten Informationen finden zu können. Nicht wenige Projekte sind mit Geheimhaltungsvereinbarungen verbunden. Wichtig ist es daher auch, die Vertraulichkeit der Planungsdaten zu gewährleisten. Auch hier ist die E-Mail deutlich unsicherer als der geschützte und verschlüsselte Datenraum des IBPM. Zum Schluss fällt mir noch das Thema Dokumentation ein. Diese mühselige letzte Stufe der HOAI im Bauprozess erledigt sich quasi von selbst, denn IBPM funktioniert nach Abschluss des Projektes auch als Archiv.

CJG: Müssen alle Planungsbeteiligten auf dem gleichen technologischen Niveau sein oder reicht ein internetfähiger Rechner?

TG: Diese Frage taucht schnell bei unseren Beratungen auf. Es gibt natürlich verschiedenste Anbieter für IBPM-Systeme und bei manchen wird auch eine Software installiert. Generell rate ich jedoch zu den Anbietern, die IBPM über den gängigen Internetbrowser möglich machen. Das ist nämlich mit den geringsten Eingriffen in die unternehmenseigene IT verbunden. Generell gilt, dass jedes Projekt anders ist bzw. es eigene Anforderungen hat. Deshalb ist übrigens auch die unabhängige Beratung vor dem Einsatz der Systeme so wichtig. Wir bei „formitas“ setzen uns zunächst mit dem Kunden zusammen und analysieren das anstehende Projekt. Ist der zu leistende Umfang klar, gehen wir daran, das richtige System zu wählen, um im Anschluss die angemessenen Module des Kommunikationsraums zu konfigurieren.[nbsp]

CJG: Welche Facetten können für die Projektsteuerung abgebildet werden bzw. welche Werkzeuge gibt es in der Plattform?

TG: Ich hatte oben ja schon erwähnt, wie wichtig die Beratung im Vorfeld eines IBPM-Einsatzes ist. Grundsätzlich ist die komplette Palette des Projektmanagements abbildbar. Ich rate jedoch stets dazu, sich nicht von den Möglichkeiten leiten zu lassen, sondern von den konkreten Erfordernissen. Es bestätigt sich nämlich oft die alte Weisheit: Weniger ist mehr. Nur das, was zur Bewältigung des Projektes erforderlich ist, sollte auch implementiert werden. Einige Grundstrukturen bzw. -module sind jedoch Standard und wiederholen sich, so z.B. Kommunikations-, Kontakt-, Aufgaben-, Dokumenten- und Planmanagement. Wie gesagt, ist deshalb die Beratung im Vorfeld so wichtig, denn dort legen wir gemeinsam mit dem Kunden fest, welche Module für das Projekt angemessen sind. Diese werden dann über die Zeit weiterentwickelt und angepasst wie z.B. Ausschreibungs-, Terminmanagement, Bautagebücher etc. Vor dem Beginn und im Laufe des Projekts schulen wir natürlich auch die Mitarbeiter in der Bedienung der Systeme, wobei hierfür in der Regel zwei Stunden ausreichen.

CJG: D.h., dass auch individuelle Projektstrukturen in der Plattform abgebildet werden können?

TG: Eine ganz klare Antwort: Ja. Ein IBPM-System kann nur erfolgreich sein, wenn es individuell auf ein Projekt zugeschnitten werden kann. Die Planer sollten es vermeiden, sich auf die Schemata einer Fertiglösung zu verlassen. Das Wachsen eines Bauprojekts ist nämlich ähnlich wie bei einem Organismus. Alles verändert sich permanent und deshalb müssen die Funktionalitäten innerhalb der Systeme laufend angepasst werden.

CJG: Gibt es Marktführer in IBPM-Systemen und wie unterscheiden sich die verschiedenen Anbieter?

TG: Es gibt eine ganze Reihe etablierter Anbieter. Aber wie gesagt, es kommt auf das jeweilige Projekt an. Ein IBPM-Maßanzug ist halt besser, als einer von der Stange und deshalb kann es hier keine Standardempfehlung geben.

CJG: Was passiert, wenn man im Nachhinein den Anbieter wechseln möchte bzw. wenn dieser in Konkurs geht?

TG: Ein Umkopieren von einem Anbieter auf den anderen im laufenden Projekt wird in der Regel nicht gemacht, denn es ist schwierig, die verschiedenen Datenstrukturen zu synchronisieren. Auch das Verheiraten zweier verschiedener Systeme ist derzeit nicht möglich. Allerdings sorgt eine fundierte Beratung im Vorfeld ja auch dafür, dass das richtige IBPM-System gewählt wird. Nach Abschluss des Projekts ist der Wechsel jedoch problemlos machbar. Zum Stichwort Konkurs lässt sich sagen, dass wir unseren Kunden nur solide IBPM-Marktführer anbieten, d.h. die Sicherheit, Datenredundanz etc. ist dort gewährleistet und eine Pleite auch unwahrscheinlich. Man sollte sich stets klarmachen, dass die Daten dem Kunden gehören und nicht dem IBPM-Anbieter. Sicher ist es aber gut, genau in die AGB zu sehen. Meiner Erfahrung nach bleiben die Unternehmen aber bei einem Anbieter und kopieren zu ihrer eigenen Sicherheit die Archivdateien aus dem Datenraum in die eigenen Systeme, wo sie dann in die gängigen Backup-Prozeduren geraten bzw. auf Dokumentenbasis extrahiert werden können.

CJG: Zum Stichwort Daten-Redundanz. Wie ist die Kommunikation und die Verwahrung der Daten bei den einzelnen Planungsbeteiligten organisiert?

TG: Die Erstellung der Dateien, z.B. CAD, Ausschreibung oder Dokumente, die auf dem IBPM-System abgelegt werden, passiert ja noch auf den Rechnern der teilnehmenden Planer. Daher liegen dort bereits die eigenen Daten vor und können gesichert werden. Zusätzlich dazu haben die Beteiligten natürlich die Möglichkeit, sich den kompletten Projektraum oder auch Teile daraus als Archiv in die eigenen Systeme zu überspielen und somit zu sichern. Überflüssige Datenverdoppelung allerdings wird im IBPM vermieden, denn ein Rollen- und Rechtemanagement sorgt dafür, dass nur die Informationen vorliegen, die jeweils auch benötigt werden.

CJG: Dient IBPM auch für das Facility Management, also die Nutzungsphase in Gebäuden bzw. können die Daten generell weiter benutzt werden?

TG: Ja, das ist ja ein entscheidender Mehrwert des IBPM. In den meisten Fällen bleiben die Datenräume eines Projekts nach dessen Abschluss online. Aber auch in der Offlinevariante liegt der letzte Übergabestand in Form von Dokumenten vor bzw. wird an die Nutzer oder Betreiber der Gebäude übergeben. Auf diese Weise könnten z.B. Konstruktionsdetails bestimmter Bauteile recherchiert werden, um Gewährleistungsfragen zu klären. Alle Dokumente, d.h. Pläne, Word- oder Exceldateien, Handbücher etc. sind übrigens Volltextindiziert, d.h. nach Stichworten durchsuchbar – auch noch Jahrzehnten nach der Fertigstellung des Bauwerks.

CJG: Wie lautet ihr abschließendes Fazit? Geht in der Zukunft noch ein Weg an internetbasiertem Projektmanagement vorbei?

TG: Wenn ein Planungsbüro Aufträge anstrebt, die hart umkämpft sind, kann es kaum dem Zwang zur Effizienz entrinnen. Vor diesem Hintergrund würde ich sagen, dass das IBPM sich immer weiter durchsetzen wird. Vom Kommunikations- und Dokumentationsmedium geht die Entwicklung in Zukunft immer weiter in Richtung „Building Information Modeling“ (BIM). Dann wird man keine Protokolle und Pläne mehr studieren müssen, um die Entwicklungsgeschichte eines Gebäudes zu begreifen, sondern sämtliche Informationen zu den Bauteilen direkt im 3D-Modell finden.

CJG: Herr Geißler, haben Sie vielen Dank für dieses Interview!

Erschienen: Technik am Bau