Farben erwünscht! Corporate Architecture Praxis …

By cjg on 17. Januar 2016 — 7 mins read

Lange stand der Berliner Architekt Stefan Zappe seiner Bauherrin beratend zur Seite, bis geeignete Räumlichkeiten für ein neues Domizil gefunden waren. Im Herzen Charlottenburgs, dort wo vieles in seiner städtebaulichen Ästhetik mit ihrer Mischung aus Gründerzeit- und Nachkriegsarchitektur, Frontstadt- und Insellagenatmosphäre an den „alten“ Berliner Westen erinnert, entschloss sich die Geschäftsführerin der Personalserviceagentur „az GmbH“ zu einem mutigen, baulichen Perspektivwechsel. „Wir hatten unser Büro viele Jahre in einem schönen Altbau“, erzählt sie. „Auch das hatte seinen Charme. Aber es war klar. Wir wollten etwas Neues. Etwas, das in die Zukunft weist.“

In der Konzeptionsphase des Projekts analysierte Stefan Zappe zunächst die spezielle Unternehmenskultur. In vielen Gesprächen mit Management und Mitarbeitern gelang es, die immateriellen Prämissen zusammenzutragen, die zur Entwicklung einer „Corporate Architecture“ nötig sind. Diese nämlich ist die dreidimensionale Verkörperung eines ganz speziellen und unverwechselbaren Habitus. Die wesentlichen Linien bei der „az GmbH“ sind Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, Beweglichkeit, Dynamik und Dienstleistungsbereitschaft. Symbolisiert wird das durch intensiven Einsatz von Farben und eine bewegte Formensprache, die den grafischen Firmenauftritt im Internet genauso prägen wie die gedruckte Geschäftsausstattung und natürlich auch den Umgang mit Kunden.

Die raue und unfertige Büroetage in einem ehemaligen Kaufhaus kam gerade richtig, denn hier hatte der Architekt eine leere Spielfläche, um mit den verschiedenen Ideen und Entwürfen zum Raum und zur Möblierung zu experimentieren. Das Gebäude war einige Zeit zuvor vollständig umgebaut worden. Dabei hatte es auch eine moderne Glasfassade erhalten. „Im Grunde haben wir uns für eine improvisierte Hülle entschieden.“, so Zappe. Eine Hülle, die nackt und kühl über dem Geschäftstrubel der Einkaufsstraße zu schweben schien“.

Die Grundidee gab es schon zu Projektbeginn. Sie ging von einem großzügigen Openspace-Bereich als Bürozentrum aus, um den herum sich offene, halboffene und wenige geschlossene Bereiche gruppieren sollten. Der Blick auf die attraktive, fortlaufende Fensterfassade, die sanft und wellenartig ausschwingt, musste weitgehend unverstellt bleiben.

Raumkonzept
Zur Gliederung und Gewichtung der knapp 500 qm Grundfläche entwarf Stefan Zappe eine lang geschwungene Glaswand. Sie verleiht der Büroetage eine Zentrierung und definiert zugleich den Openspace. Glas mit farbigen Segmenten teilt die entstandene Fläche in verschiedene Zonen für Team, Service und Kommunikation. Gleichzeitig sichert seine Transparenz, dass der Gesamtcharakter des Büros in jedem Augenblick deutlich bleibt und Einblicke in alle Arbeitsbereiche möglich sind.

Offenheit und Kommunikation sind rote Linien im Architekturkonzept und spiegeln zentrale Anforderungen des Unternehmens, denn das Geschäft einer Personalvermittlung besteht aus verschiedenen Abläufen und menschlichen Begegnungen. In diesem Sinne wurde von der Empfangszone über den Interviewraum bis hin zum Teambereich mit seinen notwendigen Service- und Erholungsmöglichkeiten eine adäquate gestalterische Lösung gefunden.

Formkonzept
Das Herzstück des Entwurfs bildet der Openspace, die sog. Teamzone. Hier findet das Kerngeschäft des Unternehmens statt. „Unsere zwölf Mitarbeiterinnen arbeiten insgesamt in vier Gruppen, um geeignetes Personal für unsere Kunden zu finden bzw. zu betreuen“, beschreibt die Chefin Carola Hoffmann. „Jede dieser Gruppen betreut ein bestimmtes Berufsfeld.“ Für das Konzept war es wesentlich, diese Teams räumlich so anzuordnen, dass sie kleine Einheiten bilden. Gleichzeitig sollte das Zusammenspiel dieser Einheiten dem Raum ein stilistisches Gesamtprofil geben.

Der gleitende, weiche Schwung der Fensterfassade übertrug sich auch auf die Formensprache der Möbel und Einbauten. Abgerundete Ecken, Kreis- und Ovalmotive prägen die entworfenen Strukturen. „Jeder Arbeitstisch einer Mitarbeiterin hat jeweils eine breite und eine schmale Außenseite“, erklärt Zappe. „Die schmalen Seiten zeigen nach innen, die breiten nach außen.“

Diese organischen Asymmetrie entsteht aus der Anordnung von drei oder vier Tischen führt zum Bild einer „Blume“, die wiederum mit einer kreisrunden Adaption des Firmenlogos korrespondiert und eine Art grundrissliche Entsprechung ist. Die Mitarbeiter sitzen sich nicht frontal gegenüber. Ein konzentriertes Arbeiten ist so besser möglich und die Schallrichtung beim Telefonieren wirkt ebenfalls nicht direkt auf den nächsten Arbeitsplatz ein. Hierbei helfen auch die gelochten Akustikdeckensegel, die unter der Bürodecke verteilt sind.

Mit Hilfe von gelben Sideboards grenzen sich die „Blumen“, also auch die jeweiligen Teams, voneinander ab und bleiben doch „als Strauß“ verbunden. Daneben sorgen zusätzliche Elektrotanks dafür, dass zukünftige Anpassungen jederzeit möglich sind und das Raumsystem flexibel auf Veränderungen ausgerichtet ist. „Wir haben bei der Einrichtung der Bodentanks darauf geachtet, dass sie unabhängig von der Raumaufteilung und den jetzigen Standorten der Sideboards installiert werden“, erläutert der Architekt.

Kleine Elektrogeräte wie Drucker, Kopierer, Fax oder Scanner sind in die Sideboards integriert und auch die aktuellen Personalakten sind dort eingehängt. Die Ablagen von nicht aktuellen Vorgängen befinden sich im Archiv. Die Sideboards lassen sich von beiden Seiten mit Material beschicken. Je nach Teamanforderung kann der Stauraum also schnell neu zugeordnet werden. Besprechungen finden im Kommunikationsbereich statt, der über 15 Plätze verfügt.

Farbkonzept
Wer die neuen Räumlichkeiten der „az GmbH“ betritt, wird mit einem ungewöhnlich deutlichen Farbspektrum in Rot, Grün, Gelb und Orange konfrontiert, das sowohl den Raum in Gänze als auch die Einbauten und Möblierungen betrifft. Dieser wichtige Bestandteil der Corporate Architecture orientierte sich an gängigen Farbwahrnehmungsmustern im abendländischen Kulturraum und widerspiegelt zentrale Unternehmenseigenschaften.

Rot vermittelt die Tendenz zu Energie, Lebendigkeit, Wärme und weißt darauf hin, dass man Konfrontationen nicht aus dem Wege geht. Gelb steht für Fröhlichkeit und Lebensfreude und ist die Farbe der Regalcontainer, die den Openspace in verschiedene Arbeitsinseln gliedern. Dazwischen wirkt immer wieder Orange. Es steht für Kommunikation, Lebensfreude, Entspanntheit, Heiterkeit und sorgt für eine unbelastete Atmosphäre.

Weil Grün im Allgemeinen beruhigend wirkt, ist ein Interviewraum farblich darauf abgestimmt. Dort finden die für eine Personalvermittlung so wichtigen ersten Rekrutierungsgespräche statt. Alle Interviewräume werden außerhalb der Teamzone erschlossen und sind direkt vom Eingang erreichbar. Ist ein Erstgespräch erfolgreich gewesen, wird das neue Mitglied durch die Teamzone wieder herausgeführt und kann auf diese Weise Einblick nehmen in die neue dreidimensionale Firmenkultur.

Möbelkonzept
Wichtig waren im Konzept auch die Details und nicht ohne Zufall hatte die Auftraggeberin sich an einen Architekten gewandt, der auch Möbel gestalten kann. Es gibt zahlreiche Einzelanfertigungen in den neuen Räumen: Dazu gehören auch die schwebenden Deckensegel in unterschiedlichen Höhen, die nicht nur Funktionselemente aufnehmen, sondern der tatsächlichen Raumhöhe Dynamik und Tiefe verleihen.

Außerdem ist jedes Möbelstück bis auf eine Ausnahme -der ergonomische, schwarze Bürostuhl „Zody_System 89“ der Firma Haworth- ein Unikat. Vom Arbeitstisch über die Container bis hin zu den Küchenelementen sind alle Objekte in ihrer Form und Farbe auf das Gesamtbild abgestimmt; jedes Stück auf seine Art leuchtend und in besonderer Weise abgerundet. „Wir haben uns bewusst von allen alten Möbeln getrennt“, berichtet die Geschäftsführerin. „Sie kamen aus einer völlig anderen Umgebung und standen – wenn man so will – auch für eine andere Philosophie. Eine Philosophie, die wir weiterentwickelt hatten.“

Im Zusammenhang mit der Möbelfertigung ist die Entstehung der Arbeitstische hervorzuheben. Nach Entwürfen stellte der Möbelbauer Sebastian Riessbeck zunächst einen Prototypen her, der sukzessive den Bedürfnissen der Mitarbeiter angepasst wurde. Organisch und von einem Blütenblatt inspiriert, haben die Tische jeweils ein schmaleres und ein tieferes Ende. Im zentralen Bereich ist die Hauptarbeitsfläche, unter der schmaleren Seite steht der Rechner und unter der breiteren ein ergonomisch angepasster und von Architekten designter Bürocontainer, in dem alle notwendigen Arbeitsmaterialien, ein Hängeregister und auch das wesentliche Kleinablagesystem für die jeweiligen Mitarbeiterarbeitslätze enthalten sind.

Das Material wurde als Plattenwerkstoff zum Tischler geliefert, der die einzelnen Bauteile in der Wärmekabine thermisch behandelte und in die gewünschte Form bog. Nach der Montage wurden abschließend die Oberfläche durch Schleifen und Polieren veredelt. „Man kann ruhig sagen, dass „LG-HI-MACS“ für einen neuen Trend beim Innendesign steht“, erläutert Zappe. „Das Material kann praktisch überall zum Einsatz kommen. Egal, ob es sich dabei um einen Tisch, eine Ablage oder eine Wandverkleidung handelt.“

Material
LG-HI-MACS ist ein Hightech-Gemisch, das zu 75 Prozent aus natürlichen Mineralien und Pigmenten sowie zu 25 Prozent aus Acrylat besteht. Dank der thermoplastischen Verformbarkeit des Mineralstoffs sind außergewöhnliche Formen realisierbar. Zu dieser Eigenschaft kommen eine hohe Resistenz, Homogenität und Hygiene. „Wir können mit dem Material absolut glatte Oberflächen erreichen“, schildert Möbelbauer Riessbeck. „Sollte ein Kratzer auf den Tisch kommen, kann er mit etwas Schleifpapier mühelos wegpoliert werden.“ Außerdem verbreitet der Werkstoff eine angenehme Atmosphäre. Das hat auch Hoffmann sofort erkannt: „Im Gegensatz zu harten Materialien wie Marmor oder Granit fühlen sich unsere Tische hier im Büro richtig behaglich, ja fast weich an“.

Erschienen: Welt-Online, AIT, Mensch & Büro