Kreisgänge im Unvordenklichen

By cjg on 6. Dezember 2019 — 1 min read

Quell und Ursprung begreifen wir in der Folge als ineins gesetzt. Mit Jean Gebsers morphologischer Betrachtung Ursprung und Gegenwart haben wir ein ideales Rüstzeug, um ein wiederkomplettiertes Bewusstsein in den Blick zu nehmen. Der Autor schreibt in einer ausholenden Denkbewegung dessen Geschichte, versteht sie aber nicht als linear, sondern diaphan.
[…]
Die genannten Großlagen lässt Gebser mit Bewusstseinsstufen korrespondieren. Die archaische Grundstruktur sieht er als Ursprungsgeflecht, in dessen Kreisgang hin zum integral-aperspektivischen Denken sich magische, mythische und mentale Verdichtungen entbergen. Kausal-teleologische Herangehensweisen müssen weichen zugunsten geistiger Mutationen. Geistig, wohlgemerkt, im Sinne von intensivierend und induzierend – nicht biologisch im Sinne von reduzierend und spezialisierend.
[…]
Diese Deutung erschließt, was Erinnerung im Sinne von ›nach innen holen‹ und nicht ›von innen holen‹ meint. Mythische Erinnerung ist nicht bloß subjektiv, um im Jargon der Wissenschaftlichkeit zu sprechen. Der Einzelne hat Teil an einem kollektiven Reservoir, das er spiegeln kann.
[…]
So gesehen haben wir kaum Grund, eine Manipulierung etwa durch Algorithmen oder digitale Vernetzung zu fürchten. Diese sind nur kleine Erhebungen auf dem Weg. Setzen wir einfach – nun bewusst wie umsichtig – den Kreisgang fort. Moderne Technik kann diesen Weg nicht verhindern, allenfalls behindern. Es liegt an jedem selbst, ob er dies zulässt oder nicht.
[…]

Erschienen: TUMULT. Vierteljahresschrift für Konsensstörung, Winter 2019/20, S. 98-101