Am 22. Oktober endet die Ausstellung „Fraktale IV – Tod“, die im Berliner Palast der Republik 25 Beiträge zeitgenössischer Kunst zum Thema Tod zusammenfaßte und auch eine gute Gelegenheit bot, den
skelettierten Palast zu besichtigen. Dabei wurde klar, daß Pläne, die momentane Zwischennutzung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern, zum Scheitern verurteilt sein dürften und die Veranstalter sich mit
ihrem Thema keinen besseren Platz suchen konnten als dieses siechende Gebäude. Denn es sollte doch sehr verwundern, wenn ein solcher Roh-Ort an einer dermaßen exponierten Stelle überleben könnte. Das wäre
wahrscheinlich selbst für Berlin zuviel…
Was könnte der Sinn einer Ausstellung sein, die sich einem allseits gepflegten Tabu wie dem Tod widmet? So uneindeutig die Antworten sind, so breit stellten sich die 25 Positionen der Künstler hierzu auf. Von plump über ironisch bis abstrakt kamen die Arbeiten daher. Manches war tiefgründig, manches berührend.
In einer großen Halle im Erdgeschoß mußte der Besucher mit einer zappelnden Puppe in etwa zehn Metern Höhe zurechtkommen oder sich auf einem Bildschirm mit einer Unzahl kopulierender Menschen nebst authentischer Klangkulisse befassen. Dermaßen vorbereitet, wirkte ein abgetrennter männlicher Schädel mit einem Baum, der aus ihm herauswuchs, merkwürdig versöhnend.
Ein im transparenten Kubus zurechtgestauchter toter Rabenvogel mit dem Titel „Tier im System“ schien eine Kritik an der Dominanz der menschlichen Verstandeswelt zu beinhalten. Übrigens ein Motiv, das sich andernorts wiederholte, wenn menschliche Knochen in ein Quadratraster einsanken. Die Porträts zweier verstorbener alter Menschen ließen die Deutungsmaschinerie im Kopf das erste Mal verstummen. Hier schien der Besucher wirklich berührt.
Im Obergeschoß fanden einige große Installationen ihren Platz. Das Thema menschlicher Überhebung, die in den Tod führt, scheint gleich zwei verschiedene Arbeiten provoziert zu haben. Die eine Umsetzung befaßte sich mit Ikarus und den wächsernen Flügeln, während in der anderen ein Fahrrad mit Gummibändern, die zum Bersten gespannt waren, beschleunigt werden sollte. Das Ganze fand auf einer halsbrecherischen Rampe statt, an deren Ende der unweigerliche Absturz wartete. Im Gedächtnis bleiben noch eine Reihe von düsteren Malereien, die den Tod als das Fordernde und Unvorhersehbare zeigten und den Menschen als machtlos und ausgeliefert.
Einige Künstler führten den Betrachter sehr nah ans Thema heran. So konnte der Unzartbesaitete sich das Schlachten eines Opferlamms vorführen lassen oder sich etwa zwei Dutzend Porträts von teilweise übel zugerichteten Leichen ansehen. Auf den zweiten Blick erkannte der Betrachter, daß eine unscheinbare Liste im Eckchen zum Kunstwerk gehört. Sie dokumentierte alle Massaker und Völkermorde von 1209 bis 2005. Beim Querlesen vermischte sich das Grauen über solcherlei Menschenmögliches mit der Gewißheit, daß von einer deutschen Massenmord-Singularität keine Rede sein kann.
Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn sich auf einer Geschichtsbaustelle vom Format des Palastes der Republik eine technoide und düstere Raumstimmung in die Bedeutungssphären der Kunst einmischt. Insofern sollte die nächste Gelegenheit zur Besichtigung eines real existierenden Untergangs nicht verpaßt werden. Es könnte die letzte sein.