Virtual Reality in der Architekturplanung …

By cjg on 26. Januar 2016 — 7 mins read

Die letzten 10 Jahre
Mittlerweile hat sich auch bei naturgemäß konservativ denkenden Ingenieuren das Bild von Virtual Reality gewandelt und Sätze wie „Was soll die Spielerei?“ oder „…das hat mein Sohn in seinem Kinderzimmer auch…“ gehören der Vergangenheit an.  Diese Wandlung allerdings hat rund 10 Jahre gedauert. In einer Dekade haben sich die Werkzeuge der Bauplaner auf dem Weg in ihre Digitalisierung gemacht.

Die ersten CAD-Anwendungen orientierten sich noch sehr an den bekannten Arbeitsabläufen. Es wurde quasi die Papierzeichnung lediglich nachgeahmt und die Maus ersetzte den Tuschestift. Digitale Werkzeuge waren also noch stark an eingefahrenen Denkmustern orientiert und ihr Potential für die Planungsprozesse wurde bei Leibe nicht ausgeschöpft.

Nach und nach begann man mit 3D-Modellierungen, simulierte Flüge durch die Räume und rund um die Häuser oder quälte seine Rechner die halbe Nacht, um hoch aufgelöste Renderings zu bekommen. All das ist mittlerweile alltägliche Planungsrealität.

Heutzutage geht es allerdings nicht nur ums „schön machen“ für den Bauherrn oder die Wettbewerbsjury, denn die dreidimensionalen Modelle bieten eine Menge mehr Potential. Mit ein und denselben Daten können unterschiedlichste Sichten auf die Planung erzeugt werden. Soll heißen, dass das Datenmodell mittlerweile hauptsächlich der Arbeitsebene dient und nicht nur der bloßen Optik. Alle Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Perspektiven werden automatisch ableitbar und können natürlich auch in Papierform geplottet werden. Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, die Daten digital über Internet mit anderen Partnern auszutauschen.

Zwischenschritt auf dem Weg der Entwicklung im Bauplanungswesen ist die 3D-Stereoprojektion. Mit speziellen Klarsichtbrillen, in die Polarisationsfilter integriert sind, kann ein 3D-Modell mittels Beamer und transportablem Screen wahrgenommen werden. Streng genommen hat man es bei diesem Verfahren allerdings noch mit einer „bloßen“ 2D-Abbildung von 3D-Szenerien zu tun.

Deutlich weiter ist da die „CAVE-Technik“, denn hier steht der Betrachter mit seinem ganzen Körper in einem 3D-Raum. Das Wort steht für „Cave Automatic Virtual Environment“. Eine Szenerie wird darin mit Hilfe von Beamern auf vier Wände, die Decke und den Boden einer Kammer projiziert. Es entsteht durch entsprechende Hard- und Software eine dreidimensionale virtuelle Realität. Eine spezielle Brille kann die Stellung des Kopfes in Verbindung bringen mit dem Ort in 3D-Modell. Doch davon am Ende mehr.

In den nächsten Jahren wird es sicher noch weitere „Consumer-Ansätze“ geben, die für die Bauplanung adaptierbar sind. Hier wären der 3D-Film zu nennen oder auch das direkte Aufprojizieren von virtuellen Szenarien auf reale, räumliche Situationen (sog. Augmented Reality).

Nützlichkeiten

Für den ein oder anderen stellt sich die Frage, was für einen Nutzen 3D der Bauplanung bringt, denn natürlich kann man auch heute noch mit dem klassischen Planungsansatz (2D) hervorragende Ergebnisse erzielen. Warum also der ganze Aufwand?

Wie immer, ist es eine Frage der Abwägung: Was hat ein Unternehmen für Aufträge? Welche Komplexität gilt es im Projekt zu beherrschen? Wie viele Planer müssen in den Prozess integriert werden? Kommuniziert man über große Distanzen hinweg? Hat man genügend Mitarbeiter zur Verfügung? Gibt es Zeitdruck? Diese und noch andere Fragen bilden die Grundlage der Entscheidung für oder gegen 3D bzw. Virtual Reality in Planungsbüros.

Unstrittig ist mittlerweile jedoch, dass ein konsequenter und nutzenorientierter Einsatz von 3D-CAD effizienter ist. Auch wenn der Aufwand zu Beginn eines Projektes erst einmal höher erscheint, liegen die Vorteile auf der Hand: Es entstehen z.B. viel weniger Brüche in der Planung. Bereits vorliegende Daten können einfacher weiterbenutzt werden, z.B. für das Facility Management. Man denke ebenfalls an die vielen automatischen Auswertungen, wie Tür- und Stücklisten sowie Raumbücher für Kostenberechnungen.

Gerade der Vorteil, dass man aus einem 3D-Modell eine fast beliebige Anzahl von Schnitten erzeugen kann, bietet die Möglichkeit, ganz andere Komplexitäten zu beherrschen. Auch für den versierten Konstrukteur, der wie selbstverständlich mit 2D-Plänen, Schnitten und Ansichten arbeitet, sind 3D-Modelle das Mittel der Wahl, um komplexe dreidimensionale Zusammenhänge zu handhaben.

Ein weiterer, ganz wesentlicher Faktor ist die Kommunikation. Die nämlich mit dem eigenen Team, den Fachplanern und Kunden. Durch den Einsatz von 3D-Werkzeugen ist der Abstraktionsgrad für den Betrachter wesentlich geringer und er kann sich auf das Wesentliche, nämlich die Räume, konzentrieren. Dies wird besonders beim Einsatz von virtuellen Realitäten deutlich: Viele Bauherren erleben einen echten „AHA-Effekt“, wenn Sie ihr Gebäude begehen können, noch bevor der erste Stein gesetzt ist. So erhöht man die Planungssicherheit und beugt Nachbesserungen vor.

Verschwiegen werden sollte hier nicht, dass die Vereinfachung auf der einen Seite ergänzt wird durch eine weit anspruchsvollere Planung. Der zuständige Konstrukteur muss in seinem 3D-Modell nämlich alle Details genau durchdringen und die technischen Prämissen beziehungsweise Anforderungen berücksichtigen. Das geht nur mit gut ausgebildetem Personal, das gewerkeübergreifend mitdenkt.

Weit weg ist man bei so einem Ansatz also davon, den technischen Zeichner oder Konstrukteur als bloßen Erfüllungsgehilfen zu sehen. Ganz im Gegenteil wächst er in die Rolle des Beraters, denn durch sein Know-how sieht der Konstrukteur als erster die möglichen Probleme. Alle Mitglieder der Planungskette optimierten gemeinsam und permanent den virtuellen Bau weiter. Das mag für manchen fremd erscheinen und bricht mit dem herkömmlichen Rollenspiel im Bauprozess.

Auch an anderer Stelle werden neue Spezialisten gebraucht bzw. entstehen neue Berufsbilder, denn die Schnittstelle von Informatik und Architektur wird wichtiger denn je. So sollte ein Programmierer, der für einen Architekten ein spezielles Problem zu lösen hat, eben wissen, in welchem Kontext er sich bewegt. Es sind nicht wenige, sondern viele Variablen zu managen und viele verschiedene Fachleute unter einen Hut zu bringen, will man der Vision von einem effizienten 3D-Planen gerecht werden.

Zusammenarbeit
Die Vision vieler Planungsbeteiligter ist der durchgängige Einsatz des sogenannten „Building Information Model“ (BIM). Man baut darin quasi digital vor und alle Gewerke (Architektur, Tragwerksplanung, komplette Technische Gebäudeausrüstung, Prozesstechnik, Innenarchitektur, Garten- und Landschaftsplanung etc.) werden innerhalb eines einzigen 3D-Modelles abgebildet.

Planer können redundante Arbeitsschritte durch bessere Zusammenarbeit sparen, ein Statiker z.B. auf die Arbeit des Architekten aufbauen und seine Ergebnisse wieder zurückfließen lassen. Über Rollen- und Rechtemodelle in der Software kann man genau festlegen, wer welchen Gebäudeabschnitt bzw. welches Gewerk zu verantworten hat und diesen auch bearbeiten darf.

Die Zugewinne im „BIM“ liegen auch darin, dass in der Frühphase eines Projekts, also dann, wenn die Baustelle noch in weiter Ferne liegt, ein hoher Detailierungsgrad dafür sorgt, dass die Aufgabe klar umrissen wird und das Projektteam eine belastbare Diskussionsgrundlage hat. Mögliche Planungskonflikte, Anpassungen und Veränderungen am Baukörper geschehen zu diesem Zeitpunkt nahezu kostenneutral.

Neben dem geometrischen Modell können auch die sogenannten Meta-Daten mit Objekten verbunden werden. So wird z.B. eine Tür versehen mit Informationen wie Brandschutzklasse, Material, Montageanleitung, Farbe, Schließzylinder etc. Alle Planungsdaten sind also intelligent organisiert, digital verwaltet und für unterschiedlichste Folgezwecke zu nutzen. Hier sei als Beispiel der Gebäudebetrieb genannt, in dem alle Einrichtungsgegenstände (Möblierung, Tische, Stühle, Technik, Teppich etc.) per RFID-Technik mit Möglichkeit zu Einzelortung versehen werden können.

Das Internet, die Versorgung mit Breitbandnetzen und die mobile Zusammenarbeit rücken das „BIM“ mittlerweile immer mehr ins Zentrum der Planung. War es vor einigen Jahren noch unabdingbar für eine gute Kommunikation, dass man im selben Gebäude an einem Projekt plant, werden die Möglichkeiten der virtuellen Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen immer besser und praxistauglicher.

CAVE
Effizienz ist nicht das einzige 3D-Plus, denn die Förderung einer guten Kommunikation, wie sie die körperliche „Begehung“ der Planungsergebnisse in einem virtuellen Raum, einer „CAVE“,  ermöglicht, kann Wunder wirken. Oft sind es nämlich die Stimmungen, die zum Erfolg eines Projektes beitragen. In einer „CAVE“ finden die Beteiligten meist ganz intuitiv zueinander, so können z.B. mögliche Kollisionen von Rohren erkannt, andere Missverständnisse geklärt bzw. Lösungsansätze erarbeiten werden. Auch der Dialog mit dem Nutzer gestaltet sich einfacher, denn schon vor der Realisierung des Baus kann er beurteilen, ob z.B. seine Labormöbel sinnvoll angeordnet sind und alle spezifischen Arbeitsabläufe ihre grundrissliche Entsprechung finden.

Dienstleistung trifft Forschung
Manche Unternehmen haben nicht nur die Zeichen der Zeit erkannt, sondern beteiligen sich auch aktiv an der Weiterentwicklung von 3D-Planungswerkzeugen für das Bauwesen. So zum Beispiel der Aachener Generalsplaner „Carpus+Partner AG“ zusammen mit dem ortansässigen „CAVE“-Betreiber „Virtual Reality Center Aachen“ der RWTH und dem IuK- Technologiedienstleister „formitas“.

Ziel der Zusammenarbeit ist eine dauerhafte Integration der 3D-Werkzeuge in den Planungsalltag. Ganz praxisorientiert arbeiten Projektteams die typischen Probleme ab. So wurden z.B. die Kollisionsprüfung komplexer Verrohrungen in hochtechnisierten Gebäuden simuliert, effiziente Strategien von Planungsabläufen entwickelt bzw. erprobt oder die  Integration der Bauherren optimiert.

Im Rahmen eines neuen Forschungsprojektes wird zusätzlich das Thema „Dienstleistungen im industriellen Bauprozess” betrachtet. Die digitalen Werkzeuge haben in den letzten Jahren schleichend den Bauprozess verändert und eine angemessene Reaktion bzw. Anpassung bei Zulieferern, Dienstleistern, Planern und Handwerkern ist bislang ausgebleiben. Sicher ist schon jetzt, dass es große Effizienzsteigerungen gibt, aber auch die Notwendigkeit neuer Dienstleistungen.

Ausblick

Im Bauplanungssektor zeichnet sich eine Entwicklung ab, die parallel läuft zum großen Trend einer Digitalisierung sämtlicher Informationen. Die Realität bildet ihr virtuelles Gegenstück (z.B. Medien oder Produkte) und erweitert die menschlichen Handlungsmöglichkeiten. Das oben erwähnte „Building Information Model“ (BIM) wird daher in nicht allzu ferner Zukunft zur Selbstverständlichkeit werden für jedes, wirklich jedes, Gebäude.

Erschienen: Virtual Reality Magazin