Woher bekommt ein Architekturbüro Aufträge? Wie kann dauerhaft unternehmerischer Erfolg gesichert werden? Reicht die Vermarktung gebauter Referenzobjekte aus, um neue Kunden zu gewinnen? Diese und weitere Gretchenfragen stellen sich wahrscheinlich die Mehrzahl der Architekten mit eigenem Büro. Der Berater Volker Eich hat sich in diesem Zusammenhang das Prinzip ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ zu Eigen gemacht und in „Das Strategiebuch für Architekten. Persönlichkeit, Positionierung, Qualität“ niedergelegt.
Marktgesetze gelten auch für Architekten.
CJG: Herr Eich, Sie haben ein Strategiebuch für Architekten geschrieben. Was hat Sie dazu bewogen?
VE: Das Angebot an Architektenleistungen übersteigt die Nachfrage. Dennoch operieren die meisten Architekten heute immer noch nach den Regeln eines Anbietermarkts. In einem Nachfragemarkt gelten andere Regeln als in einem Anbietermarkt. In meinem Buch habe ich eine Strategie beschrieben, mit der sich jeder Architekt vom Problem der Marktsättigung befreien kann.
CJG: Erklären Sie bitte kurz den Unterschied zwischen Anbieter- und Nachfragemarkt.
V: In einem Anbietermarkt gibt es nur wenige Anbieter aber viele Kunden. In einem Nachfragemarkt ist es genau umgekehrt. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage definiert jeweils die Machtverhältnisse.
CJG: Ist Ihr Buch für ‚Architekturfabriken‘ ab 100 Mitarbeiter gedacht, oder sollten auch 2-Mann-Büros strategisch denken?
VE: Alle Architekten müssen heute strategisch denken, denn es geht ja für jeden einzelnen darum, seinen eigenen exklusiven Markt zu erschaffen, in dem die Nachfrage wieder größer als das Angebot ist. Strategie funktioniert unabhängig von der Größe eines Unternehmens.
CJG: Zwölf Kapitel in Ihrem Buch passen zur Empfehlung, sich jeweils
einen Monat Zeit zur Durcharbeitung zu lassen und danach von vorn zu
beginnen. Halten Sie das im allgegenwärtigen, stressgeladenen
„Information Overflow“ für realistisch?
VE: Die meisten Architekten investieren den größten Teil ihrer Arbeitszeit in Fach- und Managementaufgaben. Das unternehmerische Denken bleibt meist auf der Strecke. Die Strategieentwicklung ist aber eine zentrale Aufgabe. Während der Zeithorizont des Unternehmers langfristig ist, ist derjenige der Fachkraft kurzfristig. Je langfristiger Sie gedacht wird, umso erfolgreicher wird das Architekturbüro sein.
Spezialisieren, antizyklisch handeln, die Nachfrage selbst erzeugen.
CJG: Wie bekommen Architekten Aufträge? Manches geschieht zwar per
Zufall oder durch Weiterempfehlungen, aber das meiste doch durch Präsenz
bzw. Aktivität in Netzwerken, VOF-Verfahren, PR-Maßnahmen, Symposien
oder Kongressen. Zeigt sich hier nicht schon Strategie genug?
VE: Ihre Aufzählung klingt nach planlosem Aktionismus. Ob die von Ihnen genannten Aktivitäten sinnvoll sind, hängt immer von dem jeweiligen Geschäftszweck ab, den ein Architekt jenseits der Architektur verfolgt. Solange ein Architekt kein Geschäftsmodell entwickelt, das einer unternehmerischen Mission dient, kann ich keine Strategie erkennen.
CJG: An welchem Punkt wird eine geschäftliche Überlegung zur Strategie?
VE: Eine Strategie beginnt in dem Moment, in dem Sie sich entscheiden Ihr Architekturbüro unternehmerisch zu führen. Daraus ergibt sich eine freiwillige Selbstverpflichtung Ihre Unternehmeraufgaben zu erledigen. Die erste dieser Aufgaben ist die Entwicklung eines funktionierenden Geschäftsmodells, das Sie nach Ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben gewinnbringend an einen Nachfolger veräußern können. Die zweite dieser Aufgaben ist die Entwicklung einer Strategie, mit der Sie Ihr Architekturbüro konkurrenzlos im Markt positionieren. Und die vornehmste Ihrer drei Unternehmeraufgaben ist die Entwicklung Ihrer Unternehmer-Persönlichkeit, denn sie ist der Ursprung Ihrer unternehmerischen Mission jenseits der Architektur.
CJG: Sie schreiben: „65.000 eierlegende Wollmilchsäue wollen alle an
denselben Kuchen“. Ist die schiere Konkurrenz das Problem der
Architekten oder deren Status als „Wollmilchsau“?
VE: Die eierlegende Wollmilchsau ist ein Wesen, das sich seine Konkurrenz selbst erschafft und deshalb in den Augen potenzieller Kunden nicht von seinen Mitbewerbern zu unterscheiden ist. In Wirklichkeit besitzt jeder Architekt ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem er sich konkurrenzlos positionieren kann. Aber er ist sich seiner Einmaligkeit nicht bewusst und das ist sein Dilemma.
CJG: Sie empfehlen, bislang unbefriedigte Bau-Nachfragen zu bedienen.
Auf diese Weise wäre man unabhängig von der Gesamtkonjunktur, würde die
Konzentration der unternehmerischen Mittel auf einen Punkt lenken und
sich gegen die Konkurrenz abheben können. Wie sollten die Architekten
diese Basisarbeit leisten und woher bekommen sie die zugehörigen
Informationen?
VE: In einem gesättigten Markt gibt es keine unbefriedigte Nachfrage. Es gibt aber oft einen Bedarf wo es keine Nachfrage gibt. Architekten können selbst zu einem Motor der Baukonjunktur werden, indem sie einen verborgenen Bedarf aufspüren und selbst eine Nachfrage erschaffen. Eine solche Strategie funktioniert am besten, wenn Sie sich auf einen Kundenkreis konzentrieren, in dessen Welt Sie zu Hause sind. Wenn Sie eine gemeinsame Sache mit Ihrer Zielgruppe teilen, für die Sie sich beide begeistern, dann kennen Sie die Bedürfnisse und die Probleme Ihres Kundenkreises oft besser als Ihre Kunden.
Zielgruppen und unternehmerische Mission.
CJG: Könnten Sie kurz die „evolutionskonforme Strategie“ erläutern, zu der Sie sich ja bekennen?
V: Die evolutionskonforme Strategie wurde von Wolfgang Mewes entwickelt, indem er die Wachstumsgesetze der Natur auf ökonomische Systeme übertragen hat. Ein Unternehmen wächst, solange es seinen Kunden einen Nutzen bietet. Den größten Nutzen bieten Architekten ihren Kunden, indem sie deren zentrales Problem lösen oder deren wichtigstes Grundbedürfnis befriedigen. Doch nicht alle Kunden haben dasselbe Problem und sie haben auch meistens kein gemeinsames Grundbedürfnis. Deshalb empfiehlt Mewes sich auf diejenigen Kunden und Nicht-Kunden (!) zu konzentrieren, die alle dasselbe Problem oder dasselbe Grundbedürfnis haben. Es gilt also eine Zielgruppe zu finden, deren größtes Problem bzw. deren wichtigstes Grundbedürfnis zur eigenen unternehmerischen
Mission passt. Die Zielgruppe ist das Schloss, das den Zugang zu Ihrem persönlichen Nischenmarkt öffnet. Ihre Mission ist der passende Schlüssel.
CJG: Nach eigenem Bekunden beruht Ihr Ansatz auf „ewig gültigen“
Naturgesetzen und diesen entsprechend würde die berufliche
Spezialisierung der richtige Weg sein. Woher nehmen Sie diese Gewissheit
und warum bemühen Sie den Glauben an eine universelle Wahrheit?
V: Die Wirksamkeit der evolutionskonformen Strategie ist keine Sache des Glaubens. Die „EKS“ ist vielmehr ein Modell, das die Grundprinzipien der Unternehmensführung auf der Basis von Naturgesetzen beschreibt. Das physikalische Gesetz der Anziehung entspricht zum Beispiel in der Wirtschaft dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Hermann Tilke aus Aachen ist der lebendige Beweis für die Wirksamkeit der Strategie. Er ist Architekt und er ist ein leidenschaftlicher Rennfahrer. Deshalb ist er der Weltmarktführer für die Planung von Formel-1-Rennstrecken.
Ästhetik versus Akquise?
CJG: Vom Künstler im Architekten wollen Sie offenbar nichts wissen,
wenn Sie das moderne Dienstleistungs-Paradigma beschwören, wonach die
Maximierung des Nutzens der Kunden im Vordergrund zu stehen hat. Ist ein
Architekt mit gestalterischen Ambitionen demnach per se erfolglos?
VE: In einem Anbietermarkt war die Qualität der Architektur durchaus noch ein Verkaufsargument, in einem gesättigten Markt ist sie es nicht mehr. Wer heute ausschließlich mit der Qualität seiner Architektur wirbt, spielt nach überholten Regeln. Einige wenige sind damit erfolgreich, für die meisten ist dieser Weg ein Glücksspiel. Jenseits der Illusion eines gesättigten Marktes verbirgt sich eine unendliche Vielzahl unerschlossener Nischenmärkte. Es ist genug für alle da. Sobald es gelingt, das Büro im Markt zu positionieren, können Sie so viel gute Architektur machen wie sie wollen.
CJG: Nehmen wir Jürgen Mayer H. Ist er mit seinen expressiven Bauten
(z.B. Metropol Parasol) Ihrer Meinung nach nur deshalb erfolgreich, weil
das jeweilige Stadtmarketing den Bilbaoeffekt nachahmen will?
VE: Ich kenne Jürgen Mayer H. nicht persönlich aber dem Vernehmen nach soll er ein sehr guter Netzwerker sein und als Person scheint er sehr beliebt zu sein. Das ist ein gutes Fundament für unternehmerischen Erfolg. Seine Architektursprache ist spektakulär. So etwas kommt gut an – sofern Sie die richtigen Leute kennen.
Die Rolle der Persönlichkeit.
CJG: Persönlichkeit und Wandlungsfähigkeit des
Architektenunternehmers sollen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung
eines Büros haben. Könnten Sie das kurz erläutern?
VE: Die Person des Inhabers ist die Seele eines Architekturbüros und sie ist der Ursprung seiner unternehmerischen Mission. Nehmen Sie meinen Namensvetter Rainer Eich, mit dem ich übrigens nicht verwandt bin. Er hat aus seinem Architekturbüro die Beraterfirma HOAI-Spezial gemacht. Sein unbeugsamer Sinn für Gerechtigkeit hat ihn zum unangefochtenen Innovationsführer in seinem Geschäftsfeld gemacht. Ohne seine Person und ohne die Leidenschaft, mit der er seine Sache verfolgt, wäre seine Positionierung eher unwahrscheinlich.
CJG: Behaupten Sie also, dass Erfolg nicht von äußeren Faktoren (etwa
dem Markt, der Liquidität im Unternehmen oder gutem Personal)
beeinflusst wird?
VE: Im Gegenteil. Eine Strategie, die diesen Namen wirklich verdient, entwickelt sich immer aus der Wechselwirkung, die sich aus der eigenen Mission und einem Bedarf ergibt. Wenn Sie Ihr Architekturbüro strategisch führen, treten Sie in einen kontinuierlichen Dialog mit Ihrer Zielgruppe ein. Auf diese Weise erschaffen Sie Ihren exklusiven Nischenmarkt und Sie werden zunehmend unabhängig von der Konjunktur der Bauindustrie.
Quo vadis Architektur?
CJG: Strategie ist offenbar Ihre Mission. Wie wollen Sie den Nerv bzw. die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe treffen?
VE: In meinem strategischen Szenario sind u.a. die Architektur-Zeitschriften wichtige Kooperationspartner. Gemeinsam können wir in der Welt der Architekten einen echten Paradigmenwechsel auslösen. Wenn eine Zeitschrift die Chance ergreift und das Selbstbild der Architekten kontinuierlich thematisiert und aktualisiert, so kann sich diese Zeitschrift damit von ihren Mitbewerbern unterscheiden und sie kann sich nachhaltig positionieren. Stattdessen wird in den meisten Medien der alte Aberglaube (Stichwort: Ranking …) gepflegt, die Qualität der Architektur sei nach wie vor das beste Verkaufsargument.
CJG: Zum Schluss: Warum verlegen Sie Ihr Buch selbst? Scheuten die
Verlage zurück oder trauen Sie dem Printbereich keine Relevanz mehr zu?
VE: Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Frage, denn Sie sprechen ein wirkliches Dilemma an. Die Verlage pflegen dasselbe Gedankenmuster wie die Architekten: „Wir interessieren uns für Architektur. Wir interessieren uns nicht für Unternehmensführung“. Meine Liebe zum gedruckten Buch ist allerdings angesichts der Online-Medien ungebrochen. Deshalb ist mein Buch sowohl als Print-Ausgabe wie auch als eBook erhältlich. Zurzeit sind beide ausschließlich online zu erwerben aber eine Buchhandelsversion ist in Vorbereitung.
CJG: Herr Eich, danke für dieses Gespräch!
Erschienen: Deutsche Bauzeitschrift